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Eine wissenschaftliche Balkonsternwarte in der Großstadt
2018 wollte ich mit meinem alten 8-Zoll-Newton (Brennweite 900 mm) in die Astrofotografie einsteigen und kaufte mir dazu meine erste motorisierte Montierung, eine Skywatcher AZ-EQ6 Pro. Bisher war ich nur visuell unterwegs gewesen. Eine günstige Canon EOS 200D sollte der Versuch sein, eine universelle Kamera zu haben, die für Urlaub und Sterne gleichermaßen gut zu gebrauchen ist.

Allerdings war mein Vorhaben, mit dem Auto auf eine Wiese zu fahren, bei nur vier bis fünf Sternennächten im ersten halben Jahr wenig erfolgreich. Es sollte auch dauern, bis die AZ-EQ6 Pro beim Stern-Alignment nicht mehr in den Boden gefahren ist. Soviel zum viel gepriesenen GoTo, das erst viel später gut funktionierte. Im Herbst des gleichen Jahres kam ich zur BAV-Tagung in Altenburg, die so interessant war, dass sich mein Interesse voll auf Veränderliche Sterne und später auch auf Exoplaneten-Transits richtete.

Die Nord-Balkonsternwarte
(Zone Bortle 6)
Der Zufall sollte mir 2019 zu einer Balkonsternwarte verhelfen. Irgendwann wurden die Straßenlaternen gegen LED-Laternen getauscht, die gerade nach unten leuchten. Und ich war am Nord-Balkon im zweiten Stock nicht mehr von den Straßenlaternen geblendet! Da sehe ich eines Abends: „Hey, das ist doch Polaris! Und man sieht eigentlich viele Sterne rundherum!“ Der Balkon war groß genug, und ich konnte die AZ-EQ6 Pro testen und aufgestellt lassen. An dieser Stelle muss ich festhalten: Mir war bisher überhaupt nicht in den Sinn gekommen, das Teleskop am Balkon zu testen, da bei der jahrelangen Praxis als Visueller immer eine schöne Wiese mit vollständig freiem Himmel der Standard war. Und auch, weil man für ein gutes GoTo beim 3-Stern Alignment weit voneinander liegende Sterne braucht.

Der richtige Durchbruch gelang aber erst 2019 auf der BAV-Veränderlichen-Woche an der VdS-Sternwarte Kirchheim in Thüringen nahe Erfurt (immer im August um Neumond). Dort habe ich meine erste Lichtkurve aufgenommen. Wieder daheim, habe ich mich mit dem Gedanken angefreundet, eben nicht den ganzen Himmel zur Verfügung zu haben. Der eingeschränkte Himmelsbereich um Polaris könnte für die Veränderlichen erst mal reichen. So konnte meine erste Nord-Balkonsternwarte im Herbst 2019 den Betrieb aufnehmen.

Bei der BAV-Woche stellte sich heraus, dass es schwierig ist, den Stern überhaupt zu finden. Sucht man bei den „Pretty Pictures“ meist auffällige Nebel wie die Andromedagalaxie, den Orionnebel oder den Kugelsternhaufen M 13, die relativ gut zu erkennen sind und bald gefunden werden, so ist ein einfaches Sternfeld, mit nichts als unauffälligen Sternen, eine ganz andere Sache. Daher bin ich zunächst auf den 4-Zoll-Sky-watcher-Achromaten (Brennweite 500 mm) zurückgekommen. Die geringe Brennweite ergibt ein großes Bildfeld, wodurch Sterne leichter aufgefunden werden. Die Fotometrie funktioniert gut für Sterne bis zur 12. Magnitude. Erst nach einem halben Jahr Balkon-Einübungszeit bin ich dann auf den 8-Zoll-Newton (Brennweite 900 mm) umgestiegen, mit dem das Zusammenspiel von Schwenk-Radien, das „in die Balkondecke wandern“ und das Auffinden des Sterns mit-nur einem 1-Star-Alignment gut klappte. Spannend war, dass selbst in Vollmondnächten gute Fotometrie im Millimagnituden-Bereich möglich war, sofern die Himmelstransparenz es erlaubte!

Wie ist das möglich? Exkurs in die Physik: Licht ist generell unsichtbar. Wir sehen Dinge deshalb, weil das Licht an ihnen reflektiert wird. Ein Laserpointer-Lichtstrahl ist ebenfalls unsichtbar, wir sehen nur den roten Punkt an der Wand und eventuell reflektierenden Staub entlang des Lichtstrahles. Ein Experiment: Man nehme ein leeres Gurkenglas, fülle es mit Wasser, dunkle den Raum ab und leuchte mit dem Laserpointer durch das Gurkenglas auf eine ebene Fläche hinter dem Gurkenglas: Das Wasser reflektiert das Licht kaum. Nun gibt man etwas Mehl ins Wasser und wiederholt den Versuch. Man sieht den Laserstrahl im Wasser jetzt deutlich.

Bevor Sternlicht die Erde trifft, durchdringt es die Erdatmosphäre. Sind kaum Wolken (so wie das Mehl 😉 in einer Vollmondnacht vorhanden, dann ist die Transparenz also gut. Das ist deshalb der Fall, weil das Mondlicht kaum an Wolken-Molekülen gestreut oder reflektiert wird. Man wählt eben einen Stern aus, der vom Mond weit weg ist. Sieht man in der Nacht zu den Sternen auf, so trifft die Punktlichtquelle eines Sterns das werte Auge. Philosophisch gefragt: Wäre Licht sichtbar, dann würden wir nurmehr das Licht, aber nicht mehr die Gegenstände auf der Erde dazwischen sehen.

Die Süd-Balkonsternwarte
(Zone Bortle 7)
2021 stand eine Übersiedelung an und ich hatte Glück, eine neue Wohnung mit Balkon zu finden. Der ist zwar um die Hälfte kleiner, dafür aber im vierten Stock mit freier Sicht nach Osten, Südosten und Süden. Kaum störendes Streulicht, nun waren auch die Planeten zur Primetime sichtbar! Schwierigkeiten sind der fehlende Polarstern zum Ausrichten der Montierung, die Hälfte eines Monats den Mond vor der Nase zu haben und nun einen Meridianflip durchführen zu müssen. Um Vollmond herum ist es schwierig, ein 1-Stern-Alignment zu machen, denn man sieht die Sterne kaum, da der Mond so blendet. Bei der Nord-Balkonsternwarte waren die Veränderlichen meist in der zirkumpolaren Zone, somit hat sich das Teleskop ohne Meridianflip um den Pol herumgedreht. Sternfreunde empfahlen mir, eine Gabelmontierung für den Südbalkon zu kaufen, mit der kein Meridianflip nötig wäre. „Jo eh“, sagte der gelernte Wiener. Aber ich habe nunmal die Skywatcher AZ-EQ6 Pro. Die Ausrichtung der Montierung gelang mit einem auf den Boden gelegten Kompass. Parallel dazu wurde ein A4-Blatt gelegt, um die Nord-Süd-Flucht der Kompassnadel zu vergrößern. Dann wurde die Nut der AZ-EQ6 Pro an der Flucht des A4-Blattes mit dem freien Auge ausgerichtet. Fertig.

Bei der Süd-Balkonsternwarte ist das Zeitfenster von Osten bis Süden (Teleskop in Ostlage) ohne Meridianflip ca. fünf Stunden lang. Ein Meridianflip bringt noch zwei zusätzliche Stunden nach Südwest auf insgesamt sieben Stunden für einen Durchgang. Das bedeutet für einen Exoplaneten-Transit, dass er in dieser Zeit komplett aufgenommen werden muss. Am besten ohne Meridianflip, da sonst die Lichtkurve bei der Auswertung herumspringt. Man kann schon erahnen, dass mit diesen Vorgaben maximal ein bis zwei Transits im Monat möglich sind.

Problematisch war lange Zeit das Auffinden des gewünschten Sterns. Leider funktioniert Plate-Solving mit der EOS 200D und dem APT (Astro Photography Tool) nicht. Es terminiert immer mit: ERROR. Somit war ein 1-Stern-Alignment und Punkte suchen mit Stellarium lange Zeit das manuelle GoTo. Zum Glück kann APT das aufgenommene Bild um 180° drehen, damit es mit Stellarium deckungsgleich ist. Mit Stellarium stellt man das Bildfeld ein, und los geht die Suche. Ist das Sternfeld unauffindbar, so schwenke ich in Rektaszension und Deklination leicht herum, bis ein „fetter“ Stern im APT-Live-View auftaucht. Dieser kann dann leichter in Stellarium gefunden werden. Dann ging es per Starhopping zum gewünschten Stern. Im altazimutalen Modus war zwar versuchsweise das GoTo nach dem 1-Stern-Alignment viel genauer, der Stern war sofort zu finden, aber ab 30 Sekunden Belichtung entsteht eine Bildfelddrehung, die für Exoplaneten-Transits eher schlecht ist. Mittlerweile habe ich die Anleitung der AZ-EQ6 Pro gut studiert. Es gibt bei der Synscan-4-Steuerung den PAE-Modus (bei den ADVANCED FUNCTIONS / 11.2 Pointing Accuracy Enhancement). Die Handsteuerung teilt den Himmel in 85 Zonen ein und man kann das Pointing-Modell für eine Zone verbessern, indem man einen bekannten Stern nahe des Zielsterns auswählt. Ist dieser im APT-Bildschirm nicht ganz mittig, so korrigiert man das mit der Handsteuerung. Das Pointing-Modell wird für die Himmelsregion verbessert. Dies mache ich für einige bekannte Sterne im Osten, Südosten und Süden. Dadurch wird das GoTo so genau, dass eine Rektasz.-Dekl.-Eingabe des Zielsterns mit anschließendem GoTo ausreicht, so dass der Stern nun fast immer sofort im APT-Bildfeld ist. Aus diesem Grund kann ich ökonomisch nur einen bis drei, eher zwei Sterne pro Nacht anfahren. Zudem durfte ich ein Loch zum Balkon bohren, um ein Stromkabel und USB-Kabel nach draußen zu verlegen. Ab da kam keine Kälte mehr durch die Balkontür und ich sitze im Warmen neben dem Teleskop.

Kann man einen 12-Zöller überhaupt fotografisch mit einer AZ-EQ6 betreiben? Meine Erfahrung bejaht dies eindeutig. Der Orion-VX-Newton in Leichtbauweise wiegt nur 15 kg. Die für Fotometrie kurze Brennweite von 1,2 Meter bringt ein großes Gesichtsfeld, worin meist alle wichtigen Vergleichssterne enthalten sind. Und das Autoguiding mit PHD2 ergibt Abweichungen von nur 0,6 bis 1 Bogensekunde. Die Windanfälligkeit des Riesen-Newtons ist durch die Balkonmauern links und rechts auf ein Minimum reduziert. Ich habe diesbezüglich einmal einen Wind-Test gemacht (Abb. 5+6). Eine Nacht, in der man ganz bestimmt keine Sterne knipst, wenn Windböen bis 50-60 km/h brausen. Und dennoch war sie erfolgreich! Man nimmt einfach einen hellen Stern, der mit 30 s Belichtungszeit ausreichend hell aufgenommen wird. Im schlimmsten Fall ist jedes zweite oder dritte Bild eben unbrauchbar, aber mit dem Rest gelingt die Lichtkurve!

Fazit
Mein Haupt-Arbeitsfeld sind Veränderliche Sterne: Doppelsterne = Bedeckungssterne (Eclipsing Binaries), schnell pulsierende Sterne (Delta-Scuti-Variable) und Exoplaneten-Transits. Stern einstellen, schlafen gehen und in der Früh ist alles fertig. Da Sterne Punktlichtquellen sind, ist das Signal-zu-Rausch-Verhältnis sogar in der Großstadt so gut, dass die Lichtverschmutzung hier kaum eine Rolle spielt. Allein die Tatsache, dass Exoplaneten-Transits mit dem 8-Zöller in einer Bortle-7-Zone möglich sind, ist der absolute Hammer! Ich versuche, mindestens einmal im Jahr auch ein „Pretty Picture“ zu machen, wegen der Work-Life-Balance. Seit die Balkonsternwarte in Betrieb ist, fahre ich kaum noch auf eine Wiese. Es zahlt sich einfach nicht aus, bis das Teleskop am Balkon wieder richtig aufgestellt ist und alles läuft. Deswegen habe ich mittlerweile ein zweites transportables Gerät (EQ6-R mit dem 8-Zoll-Newton). Der Balkon-Himmel ist mit dem 12-Zöller zwar eingeschränkt bis 50° Höhe, mit dem 8-Zöller geht es bis maximal 60° hoch. Regen oder Feuchte sind nie ein Problem, somit benötige ich keine Taukappe oder eine Fangspiegelheizung oder dergleichen. Selbst als es einmal zu regnen begann, hat das Teleskop nichts abbekommen. Der Balkon (eigentlich eine Loggia) und das Teleskop bleiben immer trocken. Eine Moped-Garage kommt über das Teleskop und bietet genügend Schutz. Lediglich die Sonnenstrahlung hat mir einmal einen Streich gespielt. Für das Autoguiding mit einer ZWO-ASI120-MM-Kamera habe ich mir für sechs Monate ein gutes Nachführteleskop von einem Sternfreund ausgeborgt. Weil das Teleskop im ersten Sommer so cool aussah, wurde es mit der Moped-Garage nicht abgedeckt. Dadurch änderte sich durch die Sonneneinstrahlung die Farbe des Guiding-Rohrs von schwarz auf golden-bronze! Ich habe ihm das Teil dann abgekauft. Am schönsten ist es für mich, im Live-Auswerte-Modus von Muniwin dem Pulsieren eines Sterns in hunderten Lichtjahren Entfernung zuzusehen, wenn sich die Lichtkurve im Laufe einer Nacht entwickelt. Passiert nichts, so bekommt man das auch gleich mit und kann die Nacht noch retten.

Ausblick
Als neues Arbeitsfeld kommen in diesem Jahr (2024) Kleinplaneten und Near-Earth-Objects (NEOs) dazu, die mit der Software Tycho Tracker vollautomatisch ausgewertet werden. Da ich die ganze Nacht ohnehin nur ein Himmelsfeld ablichte, bin ich gespannt, wie viele Kleinplaneten oder gar NEOs mit drauf sein werden oder in den alten Daten zu finden sind! Und eine neue CMOS-Kamera (QHY 600 Mono) wird die Canon-Kamera ablösen. Darauf bin ich schon sehr gespannt!

Hier noch meine Statistiken: Ca. 7-10 Exoplaneten-Transits kommen jährlich durch die BAV- Woche in Kirchheim zustande (s. Tab. 1). Von 2019 bis 2021 habe ich oft drei Sterne pro Nacht eingestellt. Seit 2022 lasse ich meist einen Stern durchlaufen, für eine vollständige, ästhetisch schöne Lichtkurve. Per Datamining findet man oft noch weitere Veränderliche am Rande des Bildfeldes. Die QHY 600 mit ihrem Vollformat-Sensor wird den Beifang hier noch erhöhen.

Autor: Klaus Wenzel

Abb.: 1 Die maximal mögliche Kombination: Ein 12-Zoll-Orion-Newton auf AZ-EQ6 Pro auf einem ca. 3 m² kleinen Balkon in einer Bortle-7-Zone. Mit den richtigen Parametern (Tubus + Schellen: 15 kg in Leichtbauweise, geringe Brennweite: 1.200 mm, schnelles Öffnungsverhältnis 1:4, kurze Belichtungszeiten: 60-120 s, windgeschützter Balkon und Sterne = Punktlichtquellen) alles kein Problem!
Abb.: 2 Die Platzverhältnisse auf dem Balkon: Fernrohr in Ruheposition mit Moped-Garage und Campingsessel mit Sonnenschirm. Der Plastikschutz am Ende der Gewichtsstange verhindert Kopfweh!
Abb.: 3 Meine Lieblingsdefinition von Intelligenz, „intelligent ist, wer einen Fehler nur einmal macht“, musste nach drei Kopfstößen an der Gewichtsstange beim Aufstehen aus dem Campingsessel um den „Laziness-Faktor“ erweitert werden. Durch ein zusätzliches Gewicht konnte nun auf die Verlängerungsstange verzichtet werden.
Abb.: 4 Flatfields am Morgen nach der Beobachtung mit der Einkaufssackerl-Methode. Der Himmel muss gleichmäßig hell sein, zu sehen im APT-Histogramm-Fenster, wenn alle Helligkeitswerte mittig sind. Durch das Tageslicht habe ich schnelle Verschlusszeiten ab 1/100 s bis 1/4.000 s. Durchziehende Wolkenfelder, wodurch sich die Himmelshelligkeit ändert, sollte man vermeiden (Herumspringen der RGB-Werte im Histogramm).
Abb.: 5 Der Härtetest für alle, die sagen: „Ein 12-Zöller mit einer EQ6 geht fotografisch nicht.“ In dieser Nacht gab es Windböen von 30 bis 60 km/h. Der Wind heulte und die Bäume wiegten sich hin und her. Das war eine Nacht, in der man an Beobachten normalerweise gar nicht denkt. CY Aqr ist ein schneller Delta-Scuti-Pulsationsstern (Typ: SXPHE, Helligkeit von 10,42 bis 11,14 mag, Periode 87 min). Mit einer Dauerfeuer-Belichtung von 30 s erreichte ich genügend Signal zur Aperturfotometrie und versuchte mein Glück, in der Hoffnung, dass zumindest jede zweite oder dritte Aufnahme auswertbar ist. Von 22:15 bis 23:00 Uhr war der Wind einfach zu stark (siehe Lücke). Davor und danach ging sich aber jeweils ein Maximum aus! Alle Aufnahmen, die von der Trendlinie stark abweichen und wo die Fehlerbalken besonders groß sind, zeigten eine massive Verwacklung mit lauter Doppelsternen. Nach der Entfernung ebendieser waren aber zwei Maxima auswertbar. „Mission accomplished“ und der Balkon ist nun auch winderprobt.
Abb.: 6 Ein Muniwin-Sky-Plot. Hier wird die Helligkeit des Himmelshintergrundes mit der Zeit angezeigt. Sind die Werte ruhig und gerade, ist das ein Indikator für eine gute Nacht. Man sieht deutlich die Windböen, wo die Werte stark herumspringen oder fehlen. Zudem sieht man das „Wandern in die Balkondecke“ ab 00:30 Uhr. (Normalerweise steigt der Himmelshintergrund erst in der Morgendämmerung so an.) Irgendwann wird der 12-Zöller langsam zum 11‘‘, 10‘‘, 9‘‘, 8‘‘, etc. …, bis die Fehlerbalken zu groß und die Messwerte langsam unsicher werden. Dennoch ist die Fotometrie unglaublich stabil. Erst kurz vor 01:00 Uhr in der Abb. 5 könnte man die Messwerte bei der Auswertung weglassen. Dennoch liegen sie immer noch im plausiblen Abwärtstrend.

Der Weg zur vollautomatischen Remote-Sternwarte – ein Bericht aus der gleichnamigen Arbeitsgruppe
Von einer eigenen Sternwarte im heimischen Garten träumt sicherlich fast jeder engagierte Astrofotograf, um schnell und flexibel den Sternhimmel beobachten zu können. Um jede Wolkenlücke auch unterwegs nutzen zu können, wird man sich dann auch mit einer Remote-Ansteuerung und der damit einhergehenden Automatisierung beschäftigen müssen. Doch der Weg dahin kann sehr steinig und kostspielig sein, wenn noch keine Erfahrung existiert.

Die im Herbst 2021 neu entstandene VdS-Fachgruppe Remote-Sternwarten [1] hat daher zum Ziel, sich mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb einer Remote-Sternwarte auseinanderzusetzen und diese auch zur Verfügung zu stellen. Die dafür notwendige Expertise soll durch das verteilte Fachwissen innerhalb der Fachgruppe erarbeitet werden. Da auch die finanziellen Mittel über die Minor-Stiftung [2] bereitgestellt werden konnten, begann die neue Fachgruppe im Frühjahr 2022 mit der Organisation und der genauen Planung.

Um die Arbeiten auf mehrere Schultern zu verteilen, sind die Untergruppen Infrastruktur, Equipment, Software und Betrieb gegründet worden. Im ersten Schritt wurde dabei der Standort der ersten Remote-Sternwarte in verschiedenen Zoom-Treffen diskutiert. Dabei war man sich schnell einig, dass dieser nicht in Deutschland sein sollte, da das Wetter für kontinuierliche Beobachtungen nicht ausreichend gut ist. Auch die Lichtverschmutzung macht hier den Astrofotografen schwer zu schaffen, weshalb Spanien, Frankreich, Chile und Namibia diskutiert wurden. Den Zuschlag erhielt schließlich Namibia und dort die Astrofarm Hakos [3], da man hier die gleiche Zeitzone hat und eine Betreuung vor Ort sichergestellt werden kann. Denn ein Mitglied der Fachgruppe lebt dort und kann bei Pannen schnell helfen. Zudem hatte Hakos während der Corona-Phase begonnen, verschiedene Remote-Sternwarten aufzubauen, da die Astrogäste ausblieben bzw. Namibia nicht mehr anfliegen konnten. Es gab also bereits eine Wissensbasis, wie man ein solches Projekt am geeignetsten umsetzen könnte. Und auch die Internet-Verbindung war gegenüber den anderen Astrofarmen in höherer Bandbreite (25 Mbit/s symmetrisch) vorhanden. Nachdem der erste Platz für eine Remote-Sternwarte gefunden wurde, ging man von der Infrastrukturplanung in die Equipment- und Software-Planung über, die beide parallel bearbeitet wurden. Dazu wurde das verteilte Wissen der Fachgruppe genutzt, denn die Wenigsten hatten eine solche Remote-Sternwarte bereits eigenständig aufgebaut.

Bei der Equipment-Planung wurden Montierung und Teleskope diskutiert und ausgesucht. Bedingung für eine Remote-Sternwarte war es, sich mit möglichst wenigen Fehlerquellen auseinandersetzen zu müssen. Daher wurde mit der 10Micron GM3000 eine überdimensionierte Montierung angeschafft, die kein Autoguiding benötigt, da sie mit ihrem Star-Pointing-Modell exakt genug nachführen kann. Zusätzlich besitzt diese parallaktische Montierung hochgenaue Absolut-Encoder, wodurch sie immer ihre eigene Position kennt.

Um verschiedene Brennweiten nutzen zu können, wurden zudem zwei Teleskope vorgesehen, die die Montierung sicher tragen kann. Beide Teleskope zusammen kommen dabei ungefähr auf ein Gewicht von 30 kg, was für die Montierung keinerlei Herausforderung bedeutet, da sie eine Zuladung von bis zu 100 kg verträgt.

Die kleinere Teleskopoptik ist ein Takahashi-Epsilon 160ED, der bei Astrofotografen sehr beliebt ist. Ein zweilinsiger Korrektor ist hier direkt im Okularauszug verbaut, so dass ein optimal korrigiertes Bildfeld für die angeschlossene Kamera vorliegt. Das schnelle Öffnungsverhältnis von 1:3,3 bei einer Brennweite von 530 mm ermöglicht es, Übersichtsaufnahmen und auch lichtschwache Nebelobjekte auszuwählen. Der 1,5-fache Extender für den Takahashi wurde ebenfalls mitbestellt, da man dann auch 800 mm Brennweite umsetzen könnte. Allerdings müsste dieser manuell angebracht werden, was natürlich nur durch eine Person vor Ort geht.

Als Kamera wurde, aufgrund der guten Erfahrungen einiger Fachgruppenmitglieder damit, die DeepSkyPro2600c von Lacerta (ToupTek) ausgewählt. Dies ist eine Farbkamera, die mit fünf 2-Zoll-Filtern in einem USB-Filterrad betrieben wird. Als Fokusmotor wurde der Pegasus Focuscube V2 einschließlich Pegasus Ultimade Powerbox V2 geordert, die für das Strommanagement zuständig ist. Als Hauptteleskop wurde ein 12-zölliger Newton-Astrograf von Teleskop-Service (TS) Ransburg ausgewählt (Abb. 1). Dieser wurde direkt nach den Vorgaben der Fachgruppe angefertigt. Er besitzt ein Öffnungsverhältnis von 1:4,56 bei einer Brennweite von 1.391 mm. Der Tubus ist aus Kohlefaser (engl.: carbon) für eine geringe Temperaturanfälligkeit und schnelleres Auskühlen. Er besitzt einen eingebauten 3-zölligen Komakorrektor und als Okularauszug einen Feather Touch TRUE mit verzahntem Zahnrad ohne Kugellager, wodurch die Fokussierung sicher gehalten werden kann.

Als Kamera wurde ebenfalls die DeepSkyPro2600 von Lacerta (ToupTek) ausgesucht – allerdings die Monochrom-Variante. Das USB-Filterrad kann hier sieben verschiedene Filter aufnehmen. Als Fokusmotor wurde ein Starlight-HSM30-Schrittmotor verbaut. Zur Brennweitenverlängerung, um ggf. auch Planetenaufnahmen mit abdecken zu können, wurde eine TeleVue Powermate 5-fache Barlowlinse einbezogen. Auch hier müsste man händisch eingreifen, um die Barlowlinse einzubauen und eine Planetenkamera installieren zu können.

Filtersätze wurden von den Herstellern Astronomik für die Monochromkamera und Antlia für die Farbkamera ausgewählt. Bei Astronomik sind das ein Deep-Sky-RGB-Filtersatz, ein UV-IR-Blockfilter und die MaxFR-Filterserie für Hα, [OIII] und [SII] mit 6 nm Halbwertsbreite. Es wurden für die Monochromkamera zwar auch noch Baader- und Astrodon-Filter in die engere Auswahl genommen. Aber Baader konnte zu dem Zeitpunkt keine Schmalbandfilter liefern und bei Astrodon waren sogar alle Filtertypen vergriffen. Die Astronomik-Filter sind aber auch keine zweite Wahl, denn sie besitzen sehr steile Transmissionskurven, wodurch die Filterbänder schmaler und dadurch effektiver werden. Bei der Farbkamera wurde ein Antlia-Triband-RGB-Filter angeschafft sowie für Schmalband der ALP-T-Dualband-Filter von Antlia mit 5 nm und als Ergänzung dazu für die Hubble-Palette den Antila-S-II-Filter mit 3 nm Halbwertsbreite. Die Antlia-Filter zeichnen sich durch schmale Bandbreiten aus und dass sie minimale Halos an hellen Sternen erzeugen, im Gegensatz zu den stark verbreiteten Filtern von Optolong L-e Nhance oder L-eXtreme. Dieser Vorteil gilt im Übrigen auch für die Astronomik-Schmalbandfilter, was allerdings seinen Preis hat. Ein Luminanz-Filter von Baader und ein L-eNhance-Filter von Optolong ergänzen das Filterrad der Farbkamera.

Danach wurde die Planung des weiteren Equipments vorangetrieben. Als Steuerrechner wurde ein Industrie-PC von Thomas Krenn ausgewählt, der über keinen Lüfter verfügt und mehr Rechenleistung als ein Klein-PC (z. B. Intel-NUC) besitzt. Er wurde mit 32 GByte RAM-Speicher bestückt, einer 240-GByte-SSD-Festplatte für das Betriebssystem und einer 3,84-TByte-SSD-Festplatte für die Datensicherung. Aus Sicherheitsgründen wurde diese zweimal gekauft, um einen Ausfall vor Ort leicht kompensieren zu können. Eine externe USB-Festplatte für die Datensicherung wurde ebenfalls eingeplant, die unabhängig von einem Cloud-Zugang für die Aufnahmedaten vorhanden sein sollte. Da es in Namibia häufiger zu Stromausfällen kommen kann, wurde eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) mit angeschafft und diese in Windhoek geordert, da sie doch einiges an Gewicht mit sich bringt.

Die Säule für die Montierung wurde ebenfalls vor Ort angeschafft und aufgebaut. Zur Abdeckung der Teleskope, die dem Staub von Namibia trotz Schutzhütte ausgesetzt sind, wurden die Flatpanels eXcalibur von RB-Focus angeschafft. Diese sind mit einem Motor ausgestattet, so dass sie remote geöffnet werden können. Neben der Staubschutzfunktion lassen sich damit natürlich auch die notwendigen Flats anfertigen.

Eine IP-Steckdosenleiste stand ebenfalls noch auf der Wunschliste, um aus Deutschland die Geräte vor Ort einzeln an- und ausschalten zu können. Ebenso eine Kamera mit Fisheye-Objektiv (ASI 178MC), um den Innenraum der Rolldachhütte einsehen zu können. Inzwischen wurden damit auch einige Zeitrafferaufnahmen von Beobachtungsnächten angefertigt und als Planetenkamera könnte sie ebenfalls eingesetzt werden.

Die Software wurde durch die Software-Gruppe diskutiert und bereits vorher auf dem Thomas-Krenn-Rechner installiert, erreichbar in Deutschland über eine gesicherte Internetverbindung. Aber das war  letztendlich eine Trockenübung, da das zu steuernde Equipment ja noch gar nicht angeschlossen war. Installiert wurden als Betriebssystem Windows 10 Professional, 10Micron-Treiber mit virtueller Handsteuerbox, PegasusAstro Unity Platform zum Einschalten der Kameras, Flatdeckel- und Fokussiermotoren, das Planetariumsprogramm Cartes du Ciel, die ASCOM-Schnittstelle zur Steuerung der Kameras und der Montierung sowie die Aufnahmesoftware N.I.N.A. zur Verwaltung der Aufnahmesequenzen. Um remote auf den Rechner zugreifen zu können, wurde das Programm AnyDesk installiert. Die Abbildung 2 zeigt eine AnyDesk-Sitzung und die Programmanordnung, wie sie für Namibia umgesetzt wurde. Man erkennt neben den beschriebenen Softwaretools auch die dortigen Außenkameras der Rolldachhütten sowie die Fisheye-Innenkamera, die beide Teleskope zeigt.

Im April 2023 flogen dann zwei Gruppenmitglieder nach Hakos, um die Sternwarte aufzubauen. Sie wurden von zwei Kollegen vor Ort unterstützt (Abb. 3). Vorab wurde noch in München bei TS Ransburg die Ware in Augenschein genommen und Funktionstests mit den Rechnern, der Firmware und der Ansteuerung durchgeführt. Die Montierung konnte dabei nicht getestet werden und auch nicht der Takahashi-Epsilon 160ED, da diese schon in Namibia waren. Zwar wurde in der Gruppe diskutiert, ob man das Equipment probeweise in Deutschland aufbauen und testen sollte, bevor es die Anreise nach Namibia antritt. Dies wurde aber aus Kosten- und Aufwandsgründen fallengelassen. Auch der Zeitplan wäre dadurch beträchtlich nach hinten gezogen worden. Eine Entscheidung, die sich fast gerächt hätte, denn natürlich ging vor Ort nicht alles glatt und es kam zu technischen Problemen. Es wurde daher während des Aufbaus kontinuierlich mit der Fachgruppe in Deutschland kommuniziert, um die Herausforderungen zu meistern und Lösungen finden zu können. Alle Herausforderungen konnten aber vor Ort gelöst werden, so dass es ein erstes „First Light“ während der Aufbauphase für die gesamte Fachgruppe gab, indem per Zoom-Konferenz die Bedienung live in Namibia gezeigt werden konnte.

Nach der Rückkehr des Aufbauteams wurde von Mai bis Juni 2023 am Finetuning gearbeitet. Denn es waren noch einige Kleinigkeiten zu lösen, die während der arbeitsreichen Zeit vor Ort liegengeblieben waren. Ab Juli wurde dann eine Power-User-Gruppe gegründet, die für die fehlerfreie Bedienung der Remote-Sternwarte sorgen sollte. Die Einweisung und das Training der 12-köpfigen Gruppe dauerte bis Anfang September, so dass die gesamte Fachgruppe ihr „First Light“ erst am 13. September erleben konnte. Inzwischen sind erste Beobachtungsergebnisse auf der Webseite [1] in der Bildgalerie eingestellt worden und ein erster Pilotbetrieb der gesamten Fachgruppe konnte seit Oktober 2023 gestartet werden.

Daher ist nach 1,5 Jahren Findungs-, Planungs- und Umsetzungsphase ein Remote-Teleskop entstanden, welches unter optimalem Himmel hervorragende Aufnahmen erstellen kann. VdS-Mitglieder können der Fachgruppe über die Webseite gerne beitreten, um an den Erfahrungen eines Remote-Betriebs zu partizipieren oder eigene Beobachtungen zu planen. Zukünftig sollen weitere Remote-Sternwarten entstehen

Autor:  Kai-Oliver Detken

Internethinweise (Stand: Oktober 2023):
[1] Fachgruppe Remote-Sternwarten: https://remotesternwarten.sternfreunde.de 
[2] Minor-Stiftung für Amateurastronomie: https://www.minor-stiftung.de 
[3] Astrofarm Hakos in Namibia: https://www.hakos-astrofarm.com/de/

Abb.: 1 12-Zoll-Newton-Astrograf von Teleskop-Service (TS) Ransburg mit Feather-Touch-Auszug, Bild: Teleskop-Service Ransburg
Abb.: 2 AnyDesk-Remote-Zugriff auf die VdS-Sternwarte mit der Oberfläche des Startbildschirms
Abb.: 3 Die Aufbau-Crew in der VdS-Sternwarte auf Hakos (v.l.n.r.: Thomas Appel, Jürgen Obstfelder, Friedhelm Hund, Bernd Christensen), Bild: Bernd Christensen

 Abb.: 4 Die Aufnahme des Kugelsternhaufens Omega Centauri (NGC 5139) im Sternbild Zentaur entstand als eines der ersten Bilder bei den Aufbauarbeiten am 14. April 2023 mit dem Takahashi Epsilon 160ED von Thomas Appel. Mit der Brennweite von 530 mm und einem Öffnungsverhältnis  von 1/3,3 kamen 70 Bilder zur Verwertung, die zwischen 15 und 300 Sekunden belichtet wurden. Als Farbkamera kam die Lacerta DeepSkyPro2600c zum Einsatz. Es wurde nur ein Klarglasfilter verwendet.
Abb.: 5 Die Belichtung des Kugelsternhaufens NGC 6723 und der Reflexionsnebel NGC 6726/6729 im Sternbild Südliche Krone war ein Gemeinschaftsprojekt von Rainer Sparenberg und Georg Piehler. Am 08. August und 04. September wurde mit dem TS-12"-Newton-Astrographen und einer Brennweite von 1.391 mm mit einem Öffnungsverhältnis von 1/4,56 eine Gesamtbelichtung von 3,5 Stunden erreicht. Es handelt sich um eine reine LRGB-Aufnahme. Es kam die Monochromkamera Lacerta DeepSkyPro2600 zum Einsatz.
Abb.: 6 Auf dieser Aufnahme ist ein kleiner Ausschnitt der Großen Magellanschen Wolke aus dem Sternbild Schwertfisch zu erkennen, der Tarantelnebel NGC 2070. Er wurde am 27. August und 13. September von Kai-Oliver Detken mit dem TS-12"-Newton-Astrographen bei 1.391 mm Brennweite aufgenommen. Die LRGB-Daten wurden mit den H-alpha-Daten kombiniert und die Sterne verkleinert. Die Gesamtbelichtungszeit beträgt 3 Stunden und beinhaltet 46 Aufnahmen à 5 min. Es kam die Monochromkamera Lacerta DeepSkyPro2600 zum Einsatz.
Abb.: 7 Auch diese Aufnahmen der Galaxien NGC 1316 und NGC 1317 im Sternbild Fornax entstanden mit dem TS-12"-Newton-Astrographen und wurden von Martin Nischang von Oktober bis November gesammelt. Ausgewertet wurde die Gesamtbelichtung von 14,5 Stunden von Carsten Reese. Es handelt sich um eine reine LRGB-Aufnahme. Als Kamera kam die Monochromkamera Lacerta DeepSkyPro2600 zum Einsatz.

Sol`Ex, der Spektroheliograph für jedermann
Der Begriff Sol`Ex steht für „Solar Exploration“ oder „Solar Explorer“. Es handelt sich um einen Selbstbau-Spektroheliographen zur Erforschung und zum Studium der Sonne und ihrer verschiedenen Phänomene. Mit Sol`Ex kann die Oberfläche unserer Sonne im Licht verschiedener Spektrallinien abgescannt und in Form von Videos aufgezeichnet werden. Die Methode dazu ist nicht neu, und der Selbstbau ist heute mit 3D-Druckern einfach umzusetzen.

Eine Gruppe um Christian Buil hat einen Selbstbausatz für den 3D-Drucker mit demfranzösischen Hersteller Shelyak verwirklicht [1, 2, 3]. Die Software INTI zum Auslesen der Videos wurde von Valerie Desnoux und ihren Mitarbeitern geschrieben [4]. Eine weitere gibt es von Douglas Smith [5]. Das Design ist auf kleine Teleskope und Objektive abgestimmt.

Nachdem der Sol`Ex erfolgreich an ein Teleskop oder Objektiv adaptiert wurde, werden Videosequenzen in der Wellenlänge der vorgesehenen Absorptionslinie wie zum Beispiel Hα aufgenommen. Dabei wird die Sonne einmal komplett abgescannt. Den Rest erledigt die entsprechende Software. Auf die Sonnenphysik und deren Beobachtung gehe ich in diesem Artikel jetzt nicht ausführlich ein.

An ein wenig Theorie kommen wir aber doch nicht vorbei. Der SpektroheliographSol`Ex zerlegt in erster Linie das Sonnenlicht in seine einzelnen Wellenlängen. Der Instrumenteneingang besteht aus einem schmalen, 10 Mikrometer breiten und 4,5 mm hohen Eintrittsspalt, der sich im Brennpunkt des Teleskops befindet. Danach folgt ein achromatisches Dublett mit 80 mm Brennweite, das speziell für Sol`Ex optimiert wurde. Diese Linsen sorgen dafür, dass die aus einem Spalt austretenden Lichtstrahlen parallel zueinander verlaufen und dann auf ein holografisches Beugungsgitter mit 2.400 Linien/mm treffen, das für die spektrale Streuung des Lichts sorgt. Ein Objektiv mit einer Brennweite von 125 mm, das ebenfalls speziell für Sol`Ex hergestellt wurde, bündelt schließlich alle Strahlen in der Detektorebene.

In der Gitterebene beträgt das Öffnungsverhältnis des angenommenen Strahlenbündels etwa 1:10,6. Das ist auch das optimale Arbeitsöffnungsverhältnis. Die optimale Brennweite des Objektivs beträgt, um die Sonne komplett abzubilden, abhängig von der Pixelgröße der Aufnahmekamera ungefähr 420 mm. Der Sol`Ex funktioniert bis zu einer Brennweite von 1.200 mm. Für diese längeren Brennweiten müssen die jeweiligen Teilbereiche der Sonne gescannt werden, um ein Gesamtmosaik zu erstellen. Ich habe mich für die Umsetzung mit einem preiswerten Einsteiger-Teleskop von Acuter entschieden, dem Maksutov-Teleskop MC 60/750 Maksy 60 Discovery. Dafür musste ich mir noch einige Teile für die Adaption selbst drucken. Als Aufnahmekamera habe ich sowohl die PlanetPro USB3.0 (IMX178 mono) von Lacerta als auch die ZWO ASI178MM (Mono) verwendet. Beide verfügen über eine hohe Empfindlichkeit und eine schnelle Ausleserate. Überhaupt ist Geschwindigkeit und Leistung des verwendeten Computers auf jeden Fall ein Vorteil bei der Datengewinnung. Als Aufnahmesoftware eignen sich SharpCap und auch FireCapture.

Nun stelle ich kurz mein persönliches Vorgehen bei einer Aufnahmesequenz mit der Software SharpCap vor (Abb. 1). Das Teleskop wird auf die Montierung gesetzt und in Richtung Sonne geschwenkt. Dabei halte ich die Hand oder ein Blatt Papier über den Okularauszug, um so zu erkennen, wann sich die Sonne ins Blickfeld bewegt. Die Interpretation des Schattens des Teleskopes ist hilfreich bei der Beurteilung, in welche Richtung die Montierung geschwenkt werden sollte. Ist dies gelungen, setze ich den Sol`Ex an das Teleskop und befestige ihn. Hierbei ist es wichtig, dass er entsprechend der Stundenachse ausgerichtet wird, d. h.: Hat man den Sol`Ex mit dem „gesunden

Augenmaß“ parallel zur Prismenschiene des Teleskops ausgerichtet, wird die nötige Genauigkeit meist schon erreicht. Die Nachführung wird auf Solar eingestellt. Die Kamera wird mit dem Notebook verbunden und SharpCap gestartet. Ob die Montierung über den PC oder über den Handcontroller gesteuert wird, sei jedem selbst überlassen. Ich nehme beim Sol`Ex den Handcontroller meiner Sky-Watcher-Montierung AZ-EQ6.

Meine Einstellungen für die ZWO-Kamera ASI178MM sind:
– Output Format = SER file (*.ser) (Auto)
– Colour Space = MONO16
– High Speed Mode = On
– Turbo USB = 80
– Gain = 206
– Exposure = 3,157 ms

Das sollten für jeden zumindest gute Ausgangswerte sein. Zuerst wird auf das Spektrum selbst fokussiert. Dies geschieht am Sol`Ex selbst mit dem Heliofokalauszug, an dem die Kamera sich befindet. Goldene Regel: Lasst Euch bei jedem Fokussieren immer genug Zeit. Sitzt der Fokus nicht, ist die folgende Arbeit für die Katz`.

Jetzt wird in unserem Falle eine ROI (region of interest) um die Hα-Absorptionslinie gezogen. Da die Linie konstruktionsbedingt etwas gekrümmt ist, sollte die Höhe 120 bis 160 Pixel betragen. Ist die Linie zentriert, suchen wir uns den Sonnenrand. Dieser wird nun am Teleskop selbst fokussiert. Auch hier lieber mehr Zeit investieren als zu wenig. Da wir die Sonne über die Stundenachse entlang der Rektaszension scannen, bewegen wir das Teleskop mit der Steuerung an den oberen Rand mit der entsprechenden Steuerungstaste. Dabei fällt auf, dass in der Absorptionslinie – senkrecht zum Verlauf – schwarze Linien erscheinen und verschwinden. Das sind die Filamente der Sonne und wir können diese verwenden, um unseren Fokus noch ein wenig zu verbessern. Bei der Ca-Linie sieht man weiße Auslöschungen, die ebenfalls hervorragend zum Nachfokussieren geeignet sind. Obacht! Wechselt man die Absorptionslinie, muss das Spektrum noch einmal am Sol`Ex nachfokussiert werden [6].

Der Scanvorgang selbst hängt wieder von der eigenen Technik ab. In meinem Fall ergibt Rate 2 (8-fache Geschwindigkeit) die besten Ergebnisse. Das muss jeder selbst für sich und sein Equipment herausfinden. Mein Teleskop hat eine Brennweite von 720 mm und so passt die Sonne nicht komplett auf den Chip. Deswegen mache ich drei Durchgänge pro Sonnenbild. Es reichen zwar zwei, aber beim Zusammensetzen des Mosaiks gibt es öfter Probleme. Zurzeit ist die Sonne sehr aktiv, und so gibt es genug Details für das automatische Zusammensetzen eines Sonnenmosaiks durch Programme wie z. B. Photomerge unter Photoshop („Stitchingprogramme“). Das wird nicht so bleiben, denn das nächste Sonnenminimum ist gewiss. Außerdem gab es unsaubere Übergänge. Zunächst fahre ich also zum oberen Rand der Sonne und richte diesen am linken Rand der ROI aus. Danach befördere ich die Sonne einmal ganz aus dem Bild, denn wir wollen keine Protuberanz abschneiden. Nun wird die Aufnahme gestartet und die Sonne mit achtfacher Geschwindigkeit durch das Bild bewegt. Es ist auch möglich, die Sonne von unten nach oben, also in umgekehrter Richtung, zu scannen. Pro Bildabschnitt mache ich fünf Durchläufe.

Die Auswertung erfolgt über die beiden Programme, die ich schon erwähnt habe. Welches man bevorzugt, ist wiederum Geschmackssache. Die Software kann einige Aufnahmefehler korrigieren, reagiert allerdings sehr empfindlich auf Verwacklungen. Es sollte also eine Phase zur Aufnahme abgewartet werden, in der es möglichst windstill ist. Die Weiterverarbeitung erfolgt in der Regel mit der üblichen Bildbearbeitung (Abb. 2-5).

Autorin: Sabine Mauer

Internethinweise (Stand Juli 2023):
[1] C. Buil: „Theorie zum Sol`Ex“, www.astrosurf.com/solex/solextheory-en.html
[2] C. Buil: Homepage, www.astrosurf.com/solex/sol-ex-presentation-en.html
[3] C. Buil: „Astro-Spectro YouTube Kanal“, www.youtube.com/@astro-spectro280
[4] V. Desnoux: „INTI-Software“, http://valerie.desnoux.free.fr/inti/
[5] D. Smith: Software für Sol`Ex, https://github.com/thelondonsmiths/Solex_ser_recon_EN/releases
[6] Sol’Ex-Videos von Beispielscans: https://stadtlandhunsrueck.de/solex/

Abb.: 1 Der Sol`Ex, angeschlossen am Teleskop
Abb.: 2 Hα-Aufnahme vom 01.06.2023
Abb.: 3 Hα-Aufnahme vom 28.05.2023
Abb.: 4 Ca-Aufnahme vom 28.05.2023
Abb.: 5 Hβ-Aufnahme vom 28.05.2023

First Light Jaegers-Teleskop 
In der Andromeda 3/2020* beschrieb Jochen in „First Light und Jugendtraum“ seinen Traum von einem Zeiss AS 200/3000 Fernrohr (ein zweilinsiges achromatisches Refraktorobjektiv mit einer Öffnung von 200mm und einer Brennweite von 3000mm), den er tatsächlich verwirklicht hat.
Beim Lesen seines Artikels hatte ich ein „Déjà-vu-Erlebnis“. Mein Traum war auch ein Refraktor, allerdings etwas kleiner, 100/1500, den ich nur zur Planeten-, Mond- und Sonnenbeobachtung nutzen wollte. Auch da sollte es eine plötzliche Wende / Möglichkeit geben, eine Wende zum …. Doch der Reihe nach:

Ruft mich eines Tages Witold an: „In Süddeutschland gibt es einen Hobbyastronomen, der einen Refraktor von Jaegers-Optik verkaufen will. 100/1.500, hast Du Interesse?“ „Jaaaa, einen so langen Refraktor wollte ich doch immer mal haben! O.k., ich kaufe den für mein künftiges Rentnerdasein.“ Jaegers-Refraktor – hatte ich zuvor noch nie etwas von gehört (dazu weiteres bitte dem folgenden Artikel entnehmen). Witold hat dann den Refraktor irgendwie nach Münster bekommen. Ich sagte ihm auch, er könne den erst mal eine Zeitlang benutzen und testen. Andere Dinge hatten damals für mich höhere Prioritäten. Ja, aus Wochen wurden dann Monate und aus Monaten dann fast ein Jahr. Nun aber wollte ich den Refraktor holen und mir ein eigenes Bild machen. Witold sagte schon, dass der Okularauszug erneuert werden müsste, der wäre nicht mehr so feingängig. Bei der ersten Inspektion konnte ich Witolds Einschätzung nur bestätigen. Ich sprach Lutz darauf an, ob er sich den Refraktor mal anschauen könnte. Gesagt getan: Er schlug vor, den Originalokularauszug durch einen Diamond Steeltrack zu ersetzen. Dabei musste auch eine Anschlussplatte an den Optiktubus mit Innengewinde versehen werden. Ich bat Lutz, sich des Refraktors anzunehmen und, wenn die optischen Eigenschaften es lohnend erscheinen ließen, die Umbaumaßnahmen vorzunehmen. Lutz‘ Expertise ließ nicht lange auf sich warten. Die Optik wäre ausgezeichnet (O-Ton, „so ein toller Refraktor ist mir noch nicht untergekommen!“). Was soll ich sagen, Anfang des Jahres 2021 nahm ich den Refraktor in Empfang. Lutz hatte mit dem umgebauten Fernrohr erste Beobachtungen gemacht und er bestätigte noch einmal die exzellente Qualität der Optik. Ein Baustein meines neu anzuschaffenden Equipments war also vorhanden. Fehlte noch der zweite, eine stabile Montierung. Da kam das Angebot von Klaus gerade recht, seine Losmandy G11 Montierung – inklusive Stativ zu verkaufen, die ich dann auch erwarb.

Alles harrte nun dem ersten First Light. Nach langer Vorlaufzeit, auch wetterbedingt, war es endlich soweit. Ich verabredete mich mit Klaus in Ostbevern in der Nacht vom 30.05. auf den 31.05.2021. Um 22:08 Uhr erschien ich auf dem Beobachtungsplatz. Es war noch nicht dunkel und so konnte ich die Montierung und das Teleskop im „Hellen“ schon mal aufbauen. Als Okulare benutzten wir ein 2-Zoll 24 mm Televue Panoptik Okular und ein 2-Zoll 9 mm Nagler von Klaus. Ich hatte ein 1,25-Zoll 8 – 24 mm-Hyperion Universal-Zoom Mark IV Okular mitgebracht, dass ich nebenbei auch testen wollte.

Die Wetterbedingungen waren leider nicht optimal. Es war etwas feucht und das Streulicht verhinderte eine bessere Grenzgröße als 4,5 mag. Die Milchstraße war nur im Schwan zu sehen; die Aufteilung der Milchstraßenwolke im Adler und Scutum in Richtung Horizont nur zu ahnen. Wie gesagt, keine optimalen Bedingungen.

Als erstes Beobachtungsobjekt nahmen wir uns die Wega in der Leier vor. Die ist ja sehr hell und optische Unzulänglichkeiten sollten schnell aufzudecken sein. Die Scharfstellung mit dem Steeltrack war kein Problem. Der Schnellfokus lief sauber und auch die Untersetzung, sprich Feineinstellung, war ausgezeichnet manuell bedienbar. Mit dem 24 mm-Okular konnte ich in der Mitte des Gesichtsfeldes intrafokal vier Beugungsscheibchen sehen. Extrafokal waren sie nicht zu sehen. Als nächstes habe ich das Fernrohr so verschoben, dass Wega an den Rand des Gesichtsfeldes geriet. Auch hier war der Stern ohne Komaerscheinungen zu sehen – das sprach tatsächlich für eine ausgezeichnete Optik. Weitere Bereichsverstellungen zeigten keine Veränderungen des Sternscheibchens. Top! Auch beim 9 mm-Okular keine Qualitätseinbußen.

Einen besonders intensiven Test veranstaltete ich mit dem 8-24 mm-Zoomokular. Bisher hatte ich immer vom Abraten dieser Okulare gehört, aber ich wollte selbst einmal ausprobieren, wie denn qualitätsmäßig das Okular im Vergleich mit dem 24 mm-Panoptik Okular abschneidet. Die Einstellungen auf die gewünschte Brennweite war sehr leichtgängig und als besonderes Schmankerl bei den Stufen 8-12-16-20-24 ein leichtes klicken zu hören. Klaus musste dabei passen, er konnte es nicht hören. Aber wie waren die optischen Eigenschaften einzuordnen? Als Testobjekt musste ε Lyrae herhalten, ein Vierfachsystem, das erst bei einer Vergrößerung von > 100-fach aufzulösen ist. ε1 und ε2 haben einen Abstand von 208“. Die nördliche Komponente ε1 wiederum ist doppelt mit einem Abstand von 2,8“ und den Helligkeiten 5,06 mag und 6,02 mag, Spektralklasse A2 und A4. Die hellere Komponente von ε1 ist ihrerseits ein spektroskopischer Doppelstern. Die südliche Komponente ε2 ist auch ein Doppelstern mit einem Abstand von 2,6“. Die Helligkeiten der beiden Komponenten betragen 5,14 mag und 5,37 mag, Spektralklasse A3 und A5. Was soll ich sagen. Die vier Sterne waren super zu trennen und das Hin- und Herfahren mit den unterschiedlichen Brennweiten – ein Genuss! Fazit: Ich habe das Hyperion Universal-Zoom Mark IV Okular gekauft.

Auf dem Weg zum Sternbild Schwan machten wir noch einen Abstecher zu M57, dem Planetarischen Nebel in der Leier. Hm, was sofort auffiel, der Ringnebel war schon ein bisschen dunkel (was ja auch nicht verwunderte bei einem Öffnungsverhältnis von 1:15). Ja, da wünschten wir uns, Klaus und ich, doch einen größeren Spiegel – Linse ist ja kaum zu bezahlen. Also auf zu β Cygni – Albireo, ein Doppelsternsystem mit einem sehr schönen Farbunterschied. Der hellere Stern 3,2 mag hat eine orange Farbe, der andere 5,4 mag ist bläulich. Beide haben einen Abstand von ca. 34“. Die Farben waren super definiert und eindeutig zuzuordnen.

Gegen 2:00 Uhr bauten wir das Teleskop mit Montierung wieder ab. Ich verstaute das Equipment in meinen Wagen, in der Gewissheit, dass ich mit dem Jaegers Refraktor noch viele spannende und interessante Stunden der Beobachtung am Himmel vor mir habe. Ein „First Light“ ist noch keine ultimative Testung der Gerätschaften, Fernrohr wie Montierung und Stativ! Ich freue mich darauf, demnächst den Mond und die Planeten zu beobachten, dass war an dem Abend leider nicht möglich, da der Mond erst gegen 2:30 Uhr aufging und so lange wollte ich nicht mehr warten.

Autor: Ewald Segna

* Vereinszeitschrift der Sternfreunde Münster

Der Traum eines jeden Astroamateurs
Der Traum, ein professionelles Teleskop für öffentliche Zwecke nutzbar zu machen, wurde wahr. Es war aber ein schwieriger Weg mit unerwarteten Hindernissen.
Glückliche Zufälle und das Durchhaltevermögen eines ganzen Teams führten jedoch zu einem sehr schönen Erfolg. Jeder Astroamateur und jede Volkssternwarte wünscht sich ein großes Teleskop, um möglichst viele Details des Mondes und der Planeten zu sehen und kleinere Deep-Sky-Objekte zu beobachten.

Das Observatorium Hoher List (OHL) oberhalb von Schalkenmehren in der Eifel (vormals vom Argelander-Institut für Astronomie in Bonn betrieben) wurde im Jahre 2012 von der Universität Bonn geschlossen. Es stand dann zum Verkauf. Ein Verkauf mit drohender Umwidmung wurde durch aktive Amateurastronomen verhindert und das OHL gelangte durch schnelles Reagieren unter Denkmalschutz. Die Astronomische Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V. (AVV) nutzt seitdem die Instrumente. Das Spitzeninstrument ist ein Cassegrain-Teleskop mit 1 Meter Öffnung und 15 Metern Brennweite. Diese lange Brennweite, konzipiert für die ursprüngliche professionelle Anwendung, machte eine visuelle und fotografische Nutzung für aktive Vereinsmitglieder oder interessierte Besucher kaum möglich.

Um das Teleskop für öffentliche Führungen und Beobachtungen nutzen zu können, kontaktierte man mich mit der Frage, ob ich einen Fokalreduktor entwickeln könne, um die Brennweite von 15 auf 6 Meter zu reduzieren. Dann könnte man mit handelsüblichen digitalen Spiegelreflexkameras oder modernen digitalen Astrokameras arbeiten. Visuelle Beobachtungen wären dann auch möglich, natürlich nur mit Okularen langer Brennweite und geeignetem Gesichtsfeld. Doch ob die Reduzierung Erfolg haben würde, war lange Zeit ungewiss, zumal der Wunsch nach einem großen Gesichtsfeld da war. Die Winkelauflösung des Teleskops ist sehr hoch, was man natürlich voll ausnutzen möchte. Dann ist aber sehr gutes Seeing eine Voraussetzung.

Das 1-Meter-Teleskop kommt aus deutschniederländischer Herstellung. Die Optik stammt von Askania, einer Tochter von Zeiss, Teleskop-Tubus und Montierung sind von Rademakers aus Rotterdam. Ursprünglich war ein Fokalreduktor von Zeiss vorhanden (Abb. 1). Dieser konnte aber aufgrund seiner früheren Anwendung nicht für den jetzt gewünschten Zweck verwendet werden. Um einen neuen Reduktor zu entwickeln, muss man die genaue Geometrie des optischen Systems kennen. Das sind die Daten der beiden Spiegel, ihr gegenseitiger Abstand und damit die Position der Bildebene. Aufgrund der Größe des Teleskops und der erforderlichen Genauigkeit ist das Messen am Teleskop besonders schwierig, da man nicht alles dazu Notwendige gut erreichen kann. In den Dokumenten im OHL-Archiv wurden diese Daten gefunden. Jedoch stellte sich heraus, dass die Brennweite von 15 Metern nicht genau stimmte, ebenso wie die Position der Bildebene.

Auch die ehemaligen Mitarbeiter des OHL konnten die nötigen Informationen nicht in den Archiven finden. Die Hoffnung, irgendwo auf die richtigen Daten zu stoßen, wurde immer kleiner. Dann ein Lichtblick: Es kam die Info, dass es auf La Silla in Chile das gleiche Teleskop gibt. Auch in diesen Archiven wurde nichts gefunden. Aber ein Eintrag in einer Referenzliste eines Artikels im ESO-Bulletin Nummer 1 gab Hoffnung. Anfragen bei mehreren Organisationen blieben ohne Ergebnis. Entweder war das Bulletin nie in ihrer Bibliothek gewesen oder es war nicht mehr da. Durch Zufall wurde die gesamte Reihe der ESO-Bulletins im Internet gefunden. Leider waren die Daten im ESO-Bulletin 1 anders als die im OHL-Archiv. Was tun? Glücklicherweise existiert Askania noch, hat aber von der Teleskopie auf die Mikroskopie umgestellt. Auf die E-Mail mit der Frage, ob im Archiv neue Informationen vorhanden seien, gab es eine sehr schnelle Antwort. Aber leider eine weitere Enttäuschung: es gab keine Unterlagen im Archiv zu diesen Daten. Daher mussten umfangreiche Messungen der Geometrie des Teleskops durchgeführt werden, leider jedoch ohne verlässliche Ergebnisse. Wie sollte es jetzt weitergehen?

Viele wurden gefragt. Auch Frau Prof. Dr. Gudrun Wolfschmidt von der Hamburger Universitäts-Sternwarte, die sich mit Astronomiegeschichte beschäftigt, wurde gefragt, ob sich in den Archiven der Hamburger Sternwarte etwas finden ließe. Und tatsächlich hatte sie etwas gefunden. Aber wieder eine Enttäuschung: Es waren die gleichen Zahlen wie die im OHL-Archiv, von denen wir wussten, dass sie nicht richtig waren. Der Vorsitzende des AVV, Prof. Dr. Uli Klein, besaß ein Astrofoto der Galaxie M 51, welches Jahre zuvor mit diesem Teleskop gemacht wurde. Mit Hilfe astrometrischer Messungen (Plate Solving) konnte die Brennweite dann genau berechnet werden. Astrometrisch werden die Positionen von Sternen auf dem Foto sehr genau gemessen. Die Größe des Bildes hängt von der Brennweite ab. Also eine umgekehrte Methode. Die Überraschung war groß. Es stellte sich heraus, dass die Brennweite nicht 15 Meter, sondern 15,69 Meter beträgt. Die Spiegel waren über die Jahre stark verschmutzt und die Spiegelschicht stark gealtert. Nachdem der Hauptspiegel und der Sekundärspiegel bei der Gelegenheit in Hamburg Bergedorf neu verspiegelt und somit wieder komplett sauber waren (Abb. 2), konnten beide Spiegel richtig vermessen werden. Die Krümmungen der Spiegel wurden mit eigenen Sphärometern und kalibrierten Messgeräten mit einer Messgenauigkeit von besser als 0,001 mm gemessen (Abb. 3). Mehr als 100 Messungen pro Sphärometer und Messuhr ergaben einen kleinen Messfehler. Es stellte sich heraus, dass die Werte der Spiegel, wie sie Prof. Dr. Wolfschmidt und im OHL-Archiv vorlagen, richtig sind – im Einklang mit der errechneten Brennweite der Optik-Software zur Berechnung der Geometrie, die sich dann ergibt. Die Überraschung war groß. Alles passte zusammen, der Abstand zwischen den Spiegeln, die Position der Bildebene – alles war korrekt.

Nun konnte losgelegt werden! Um eine gute Bildschärfe zu erhalten, sollen in der Bildebene die Bilder für alle Farben so nah wie möglich beieinander liegen. Ist dies nicht der Fall, gibt es Bilder mit Farbrändern. Mit Farbfiltern kann man die entfernen, aber ohne Filter geht die Bildqualität rapide herunter. Um die Schärfe über das erforderliche Vollformat einer DSLR zu erreichen, ist ein Linsensystem mit separaten Linsen das Beste. Dann hat man maximale Freiheit bei der Wahl der Krümmungen und der Gläser. Fantastische Ergebnisse wurden mit Triplets erzielt, bei denen eine Linse aus einem Spezialglas besteht. Aber auch hier gab es wieder ein Hindernis, das jedes Mal auftauchte: Geisterbilder durch Reflexionen an den inneren Linsenflächen (Abb. 4 und 5). Selbst mit guten Beschichtungen wären diese Geisterbilder etwa zehn Größenklassen schwächer als die Quelle. Das ist nicht gut, weil dann ein Arbeiten mit dem Instrument nicht oder kaum möglich ist. Ein ungewöhnlich großer Schritt ist ein verkittetes Triplett! Das ist bei Objektiven von Ferngläsern üblich. Dann können Reflexionen nur an den beiden Außenflächen auftreten und dieses Design zur Vermeidung von Geisterbildern war viel einfacher. Spannungen in der Kittschicht bei unterschiedlichen Temperaturen sind zu vermeiden. Zudem sind Glassorten mit vergleichbaren Ausdehnungskoeffizienten zu verwenden. Etwas schwieriger war jedoch die begrenzte Auswahl an solchen Gläsern und deren Brechungsindizes und Dispersionen (Grad der Brechungsunterschiede bei verschiedenen Farben), um eine gute optische Korrektur zu ermöglichen.

Schließlich wurde für das System ein Reduktor entwickelt, der für die Kombination eine Brennweite von 6,5 Metern ergab. Eine Reduzierung von 15,69 auf 6,5 Meter entspricht einem Faktor 0,41 und erzielt eine apochromatische Bildqualität (a) für das APS-Format von besser als einer Bogensekunde und (b) für das Vollformat besser als zwei Bogensekunden bei einer Fokusposition für Violett bis Tiefrot (Abb. 6). Die Nachfrage, ob handelsübliche Fokalreduktoren verwendet werden könnten, wurde negativ beantwortet. Diese haben oft ein zu kleines Bildfeld oder lassen sich nicht in die vorhandene Geometrie des Teleskops einpassen. Die Mechanik des Teleskop-Tubus konnte nicht geändert werden, da sie durch die ursprüngliche Verwendung des Teleskops vorgegeben war. Daher wurde ein maßgefertigter Reduktor umso notwendiger. Als das Design fertig war, wurde es nach vollständiger Berechnung von Toleranzen, Geisterbildern usw. fertiggestellt. Die Linsen wurden von einem pensionierten Mitarbeiter der Feinoptikabteilung von Zeiss hergestellt. Er stellte auch eine Halterung her, und so stand der Reduktor nach über einem Jahr auf dem Schreibtisch (Abb. 7): Öffnung 10 cm, Bildfelddurchmesser 4,5 cm und alles mit normalen Gläsern, aber mit hohen Anforderungen an die Reinheit, wenig Schlieren, Spannungen etc.

Nun wurde der neue Fokalreduktor am Teleskop angebaut und es gab „first light“. Alle waren natürlich sehr auf die Leistungsfähigkeit des Reduktors gespannt. Die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen (Abb. 8). Die fotografischen Bilder waren von hoher Qualität und das System ist auch visuell sehr gut brauchbar. Das war möglich, weil es optisch die Qualität von etwa 1/10 λ hat! Ein Traum wurde Wirklichkeit, und so steht ein riesiges Instrument für öffentliche Präsentationen und für aktive Mitglieder der AVV zur Verfügung, mit dem man visuell mit 15,7 Metern Brennweite beobachten und mit 6,5 Metern fotografieren kann.

Autor: Harrie Rutten

Abb.: 1 Das 1-Meter-Teleskop des OHL mit dem alten Reduktor von Zeiss.
Abb.: 2 Der Primärspiegel vor und nach der neuen Beschichtung.
Abb.: 3 Der Autor bei der Vermessung von Sekundär- und Primärspiegel.
Abb.: 4 Das Entstehen von Geisterbildern aufgrund von Reflexen, hier an den letzten zwei separaten Linsen.
Abb.: 5 Beispiel für Geisterbilder in den Plejaden M 45, Aufnahme mit dem 4 -m-Canada-France-Hawaii-Teleskop und Koma-Korrektor.
Abb.: 6 Die Streufiguren zeigen die optische Qualität des Spiegels für 435 bis 706 nm im unteren, rechten Viertelausschnitt einer Vollformat-DSLR-Kamera an 12 verschiedenen Positionen (stark herausvergrößert). Der große Kreis (Mitte rechts) entspricht einem Winkeldurchmesser von 2 Bogensekunden (2‘‘). In der kleinen Figur darunter sieht man verkleinert das volle Format mit dem Viertelausschnitt und den darin befindlichen 12 Streufiguren.
Abb.: 7 Der neue Fokalreduktor: Die Frontlinse hat 100 mm Öffnung.
Abb.: 8 First Light mit dem neuen Fokalreduktor: Der PN Abell 13 mit einer Helligkeit von 15 mag. Die schwächsten Sterne sind lichtschwächer als 20 mag. DSLR Nikon Z6, Stack von 10 Aufnahmen je 5 Minuten belichtet. (Bild: Harald Simon)