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Sol`Ex, der Spektroheliograph für jedermann
Der Begriff Sol`Ex steht für „Solar Exploration“ oder „Solar Explorer“. Es handelt sich um einen Selbstbau-Spektroheliographen zur Erforschung und zum Studium der Sonne und ihrer verschiedenen Phänomene. Mit Sol`Ex kann die Oberfläche unserer Sonne im Licht verschiedener Spektrallinien abgescannt und in Form von Videos aufgezeichnet werden. Die Methode dazu ist nicht neu, und der Selbstbau ist heute mit 3D-Druckern einfach umzusetzen.

Eine Gruppe um Christian Buil hat einen Selbstbausatz für den 3D-Drucker mit demfranzösischen Hersteller Shelyak verwirklicht [1, 2, 3]. Die Software INTI zum Auslesen der Videos wurde von Valerie Desnoux und ihren Mitarbeitern geschrieben [4]. Eine weitere gibt es von Douglas Smith [5]. Das Design ist auf kleine Teleskope und Objektive abgestimmt.

Nachdem der Sol`Ex erfolgreich an ein Teleskop oder Objektiv adaptiert wurde, werden Videosequenzen in der Wellenlänge der vorgesehenen Absorptionslinie wie zum Beispiel Hα aufgenommen. Dabei wird die Sonne einmal komplett abgescannt. Den Rest erledigt die entsprechende Software. Auf die Sonnenphysik und deren Beobachtung gehe ich in diesem Artikel jetzt nicht ausführlich ein.

An ein wenig Theorie kommen wir aber doch nicht vorbei. Der SpektroheliographSol`Ex zerlegt in erster Linie das Sonnenlicht in seine einzelnen Wellenlängen. Der Instrumenteneingang besteht aus einem schmalen, 10 Mikrometer breiten und 4,5 mm hohen Eintrittsspalt, der sich im Brennpunkt des Teleskops befindet. Danach folgt ein achromatisches Dublett mit 80 mm Brennweite, das speziell für Sol`Ex optimiert wurde. Diese Linsen sorgen dafür, dass die aus einem Spalt austretenden Lichtstrahlen parallel zueinander verlaufen und dann auf ein holografisches Beugungsgitter mit 2.400 Linien/mm treffen, das für die spektrale Streuung des Lichts sorgt. Ein Objektiv mit einer Brennweite von 125 mm, das ebenfalls speziell für Sol`Ex hergestellt wurde, bündelt schließlich alle Strahlen in der Detektorebene.

In der Gitterebene beträgt das Öffnungsverhältnis des angenommenen Strahlenbündels etwa 1:10,6. Das ist auch das optimale Arbeitsöffnungsverhältnis. Die optimale Brennweite des Objektivs beträgt, um die Sonne komplett abzubilden, abhängig von der Pixelgröße der Aufnahmekamera ungefähr 420 mm. Der Sol`Ex funktioniert bis zu einer Brennweite von 1.200 mm. Für diese längeren Brennweiten müssen die jeweiligen Teilbereiche der Sonne gescannt werden, um ein Gesamtmosaik zu erstellen. Ich habe mich für die Umsetzung mit einem preiswerten Einsteiger-Teleskop von Acuter entschieden, dem Maksutov-Teleskop MC 60/750 Maksy 60 Discovery. Dafür musste ich mir noch einige Teile für die Adaption selbst drucken. Als Aufnahmekamera habe ich sowohl die PlanetPro USB3.0 (IMX178 mono) von Lacerta als auch die ZWO ASI178MM (Mono) verwendet. Beide verfügen über eine hohe Empfindlichkeit und eine schnelle Ausleserate. Überhaupt ist Geschwindigkeit und Leistung des verwendeten Computers auf jeden Fall ein Vorteil bei der Datengewinnung. Als Aufnahmesoftware eignen sich SharpCap und auch FireCapture.

Nun stelle ich kurz mein persönliches Vorgehen bei einer Aufnahmesequenz mit der Software SharpCap vor (Abb. 1). Das Teleskop wird auf die Montierung gesetzt und in Richtung Sonne geschwenkt. Dabei halte ich die Hand oder ein Blatt Papier über den Okularauszug, um so zu erkennen, wann sich die Sonne ins Blickfeld bewegt. Die Interpretation des Schattens des Teleskopes ist hilfreich bei der Beurteilung, in welche Richtung die Montierung geschwenkt werden sollte. Ist dies gelungen, setze ich den Sol`Ex an das Teleskop und befestige ihn. Hierbei ist es wichtig, dass er entsprechend der Stundenachse ausgerichtet wird, d. h.: Hat man den Sol`Ex mit dem „gesunden

Augenmaß“ parallel zur Prismenschiene des Teleskops ausgerichtet, wird die nötige Genauigkeit meist schon erreicht. Die Nachführung wird auf Solar eingestellt. Die Kamera wird mit dem Notebook verbunden und SharpCap gestartet. Ob die Montierung über den PC oder über den Handcontroller gesteuert wird, sei jedem selbst überlassen. Ich nehme beim Sol`Ex den Handcontroller meiner Sky-Watcher-Montierung AZ-EQ6.

Meine Einstellungen für die ZWO-Kamera ASI178MM sind:
– Output Format = SER file (*.ser) (Auto)
– Colour Space = MONO16
– High Speed Mode = On
– Turbo USB = 80
– Gain = 206
– Exposure = 3,157 ms

Das sollten für jeden zumindest gute Ausgangswerte sein. Zuerst wird auf das Spektrum selbst fokussiert. Dies geschieht am Sol`Ex selbst mit dem Heliofokalauszug, an dem die Kamera sich befindet. Goldene Regel: Lasst Euch bei jedem Fokussieren immer genug Zeit. Sitzt der Fokus nicht, ist die folgende Arbeit für die Katz`.

Jetzt wird in unserem Falle eine ROI (region of interest) um die Hα-Absorptionslinie gezogen. Da die Linie konstruktionsbedingt etwas gekrümmt ist, sollte die Höhe 120 bis 160 Pixel betragen. Ist die Linie zentriert, suchen wir uns den Sonnenrand. Dieser wird nun am Teleskop selbst fokussiert. Auch hier lieber mehr Zeit investieren als zu wenig. Da wir die Sonne über die Stundenachse entlang der Rektaszension scannen, bewegen wir das Teleskop mit der Steuerung an den oberen Rand mit der entsprechenden Steuerungstaste. Dabei fällt auf, dass in der Absorptionslinie – senkrecht zum Verlauf – schwarze Linien erscheinen und verschwinden. Das sind die Filamente der Sonne und wir können diese verwenden, um unseren Fokus noch ein wenig zu verbessern. Bei der Ca-Linie sieht man weiße Auslöschungen, die ebenfalls hervorragend zum Nachfokussieren geeignet sind. Obacht! Wechselt man die Absorptionslinie, muss das Spektrum noch einmal am Sol`Ex nachfokussiert werden [6].

Der Scanvorgang selbst hängt wieder von der eigenen Technik ab. In meinem Fall ergibt Rate 2 (8-fache Geschwindigkeit) die besten Ergebnisse. Das muss jeder selbst für sich und sein Equipment herausfinden. Mein Teleskop hat eine Brennweite von 720 mm und so passt die Sonne nicht komplett auf den Chip. Deswegen mache ich drei Durchgänge pro Sonnenbild. Es reichen zwar zwei, aber beim Zusammensetzen des Mosaiks gibt es öfter Probleme. Zurzeit ist die Sonne sehr aktiv, und so gibt es genug Details für das automatische Zusammensetzen eines Sonnenmosaiks durch Programme wie z. B. Photomerge unter Photoshop („Stitchingprogramme“). Das wird nicht so bleiben, denn das nächste Sonnenminimum ist gewiss. Außerdem gab es unsaubere Übergänge. Zunächst fahre ich also zum oberen Rand der Sonne und richte diesen am linken Rand der ROI aus. Danach befördere ich die Sonne einmal ganz aus dem Bild, denn wir wollen keine Protuberanz abschneiden. Nun wird die Aufnahme gestartet und die Sonne mit achtfacher Geschwindigkeit durch das Bild bewegt. Es ist auch möglich, die Sonne von unten nach oben, also in umgekehrter Richtung, zu scannen. Pro Bildabschnitt mache ich fünf Durchläufe.

Die Auswertung erfolgt über die beiden Programme, die ich schon erwähnt habe. Welches man bevorzugt, ist wiederum Geschmackssache. Die Software kann einige Aufnahmefehler korrigieren, reagiert allerdings sehr empfindlich auf Verwacklungen. Es sollte also eine Phase zur Aufnahme abgewartet werden, in der es möglichst windstill ist. Die Weiterverarbeitung erfolgt in der Regel mit der üblichen Bildbearbeitung (Abb. 2-5).

Autorin: Sabine Mauer

Internethinweise (Stand Juli 2023):
[1] C. Buil: „Theorie zum Sol`Ex“, www.astrosurf.com/solex/solextheory-en.html
[2] C. Buil: Homepage, www.astrosurf.com/solex/sol-ex-presentation-en.html
[3] C. Buil: „Astro-Spectro YouTube Kanal“, www.youtube.com/@astro-spectro280
[4] V. Desnoux: „INTI-Software“, http://valerie.desnoux.free.fr/inti/
[5] D. Smith: Software für Sol`Ex, https://github.com/thelondonsmiths/Solex_ser_recon_EN/releases
[6] Sol’Ex-Videos von Beispielscans: https://stadtlandhunsrueck.de/solex/

Abb.: 1 Der Sol`Ex, angeschlossen am Teleskop
Abb.: 2 Hα-Aufnahme vom 01.06.2023
Abb.: 3 Hα-Aufnahme vom 28.05.2023
Abb.: 4 Ca-Aufnahme vom 28.05.2023
Abb.: 5 Hβ-Aufnahme vom 28.05.2023

First Light Jaegers-Teleskop 
In der Andromeda 3/2020* beschrieb Jochen in „First Light und Jugendtraum“ seinen Traum von einem Zeiss AS 200/3000 Fernrohr (ein zweilinsiges achromatisches Refraktorobjektiv mit einer Öffnung von 200mm und einer Brennweite von 3000mm), den er tatsächlich verwirklicht hat.
Beim Lesen seines Artikels hatte ich ein „Déjà-vu-Erlebnis“. Mein Traum war auch ein Refraktor, allerdings etwas kleiner, 100/1500, den ich nur zur Planeten-, Mond- und Sonnenbeobachtung nutzen wollte. Auch da sollte es eine plötzliche Wende / Möglichkeit geben, eine Wende zum …. Doch der Reihe nach:

Ruft mich eines Tages Witold an: „In Süddeutschland gibt es einen Hobbyastronomen, der einen Refraktor von Jaegers-Optik verkaufen will. 100/1.500, hast Du Interesse?“ „Jaaaa, einen so langen Refraktor wollte ich doch immer mal haben! O.k., ich kaufe den für mein künftiges Rentnerdasein.“ Jaegers-Refraktor – hatte ich zuvor noch nie etwas von gehört (dazu weiteres bitte dem folgenden Artikel entnehmen). Witold hat dann den Refraktor irgendwie nach Münster bekommen. Ich sagte ihm auch, er könne den erst mal eine Zeitlang benutzen und testen. Andere Dinge hatten damals für mich höhere Prioritäten. Ja, aus Wochen wurden dann Monate und aus Monaten dann fast ein Jahr. Nun aber wollte ich den Refraktor holen und mir ein eigenes Bild machen. Witold sagte schon, dass der Okularauszug erneuert werden müsste, der wäre nicht mehr so feingängig. Bei der ersten Inspektion konnte ich Witolds Einschätzung nur bestätigen. Ich sprach Lutz darauf an, ob er sich den Refraktor mal anschauen könnte. Gesagt getan: Er schlug vor, den Originalokularauszug durch einen Diamond Steeltrack zu ersetzen. Dabei musste auch eine Anschlussplatte an den Optiktubus mit Innengewinde versehen werden. Ich bat Lutz, sich des Refraktors anzunehmen und, wenn die optischen Eigenschaften es lohnend erscheinen ließen, die Umbaumaßnahmen vorzunehmen. Lutz‘ Expertise ließ nicht lange auf sich warten. Die Optik wäre ausgezeichnet (O-Ton, „so ein toller Refraktor ist mir noch nicht untergekommen!“). Was soll ich sagen, Anfang des Jahres 2021 nahm ich den Refraktor in Empfang. Lutz hatte mit dem umgebauten Fernrohr erste Beobachtungen gemacht und er bestätigte noch einmal die exzellente Qualität der Optik. Ein Baustein meines neu anzuschaffenden Equipments war also vorhanden. Fehlte noch der zweite, eine stabile Montierung. Da kam das Angebot von Klaus gerade recht, seine Losmandy G11 Montierung – inklusive Stativ zu verkaufen, die ich dann auch erwarb.

Alles harrte nun dem ersten First Light. Nach langer Vorlaufzeit, auch wetterbedingt, war es endlich soweit. Ich verabredete mich mit Klaus in Ostbevern in der Nacht vom 30.05. auf den 31.05.2021. Um 22:08 Uhr erschien ich auf dem Beobachtungsplatz. Es war noch nicht dunkel und so konnte ich die Montierung und das Teleskop im „Hellen“ schon mal aufbauen. Als Okulare benutzten wir ein 2-Zoll 24 mm Televue Panoptik Okular und ein 2-Zoll 9 mm Nagler von Klaus. Ich hatte ein 1,25-Zoll 8 – 24 mm-Hyperion Universal-Zoom Mark IV Okular mitgebracht, dass ich nebenbei auch testen wollte.

Die Wetterbedingungen waren leider nicht optimal. Es war etwas feucht und das Streulicht verhinderte eine bessere Grenzgröße als 4,5 mag. Die Milchstraße war nur im Schwan zu sehen; die Aufteilung der Milchstraßenwolke im Adler und Scutum in Richtung Horizont nur zu ahnen. Wie gesagt, keine optimalen Bedingungen.

Als erstes Beobachtungsobjekt nahmen wir uns die Wega in der Leier vor. Die ist ja sehr hell und optische Unzulänglichkeiten sollten schnell aufzudecken sein. Die Scharfstellung mit dem Steeltrack war kein Problem. Der Schnellfokus lief sauber und auch die Untersetzung, sprich Feineinstellung, war ausgezeichnet manuell bedienbar. Mit dem 24 mm-Okular konnte ich in der Mitte des Gesichtsfeldes intrafokal vier Beugungsscheibchen sehen. Extrafokal waren sie nicht zu sehen. Als nächstes habe ich das Fernrohr so verschoben, dass Wega an den Rand des Gesichtsfeldes geriet. Auch hier war der Stern ohne Komaerscheinungen zu sehen – das sprach tatsächlich für eine ausgezeichnete Optik. Weitere Bereichsverstellungen zeigten keine Veränderungen des Sternscheibchens. Top! Auch beim 9 mm-Okular keine Qualitätseinbußen.

Einen besonders intensiven Test veranstaltete ich mit dem 8-24 mm-Zoomokular. Bisher hatte ich immer vom Abraten dieser Okulare gehört, aber ich wollte selbst einmal ausprobieren, wie denn qualitätsmäßig das Okular im Vergleich mit dem 24 mm-Panoptik Okular abschneidet. Die Einstellungen auf die gewünschte Brennweite war sehr leichtgängig und als besonderes Schmankerl bei den Stufen 8-12-16-20-24 ein leichtes klicken zu hören. Klaus musste dabei passen, er konnte es nicht hören. Aber wie waren die optischen Eigenschaften einzuordnen? Als Testobjekt musste ε Lyrae herhalten, ein Vierfachsystem, das erst bei einer Vergrößerung von > 100-fach aufzulösen ist. ε1 und ε2 haben einen Abstand von 208“. Die nördliche Komponente ε1 wiederum ist doppelt mit einem Abstand von 2,8“ und den Helligkeiten 5,06 mag und 6,02 mag, Spektralklasse A2 und A4. Die hellere Komponente von ε1 ist ihrerseits ein spektroskopischer Doppelstern. Die südliche Komponente ε2 ist auch ein Doppelstern mit einem Abstand von 2,6“. Die Helligkeiten der beiden Komponenten betragen 5,14 mag und 5,37 mag, Spektralklasse A3 und A5. Was soll ich sagen. Die vier Sterne waren super zu trennen und das Hin- und Herfahren mit den unterschiedlichen Brennweiten – ein Genuss! Fazit: Ich habe das Hyperion Universal-Zoom Mark IV Okular gekauft.

Auf dem Weg zum Sternbild Schwan machten wir noch einen Abstecher zu M57, dem Planetarischen Nebel in der Leier. Hm, was sofort auffiel, der Ringnebel war schon ein bisschen dunkel (was ja auch nicht verwunderte bei einem Öffnungsverhältnis von 1:15). Ja, da wünschten wir uns, Klaus und ich, doch einen größeren Spiegel – Linse ist ja kaum zu bezahlen. Also auf zu β Cygni – Albireo, ein Doppelsternsystem mit einem sehr schönen Farbunterschied. Der hellere Stern 3,2 mag hat eine orange Farbe, der andere 5,4 mag ist bläulich. Beide haben einen Abstand von ca. 34“. Die Farben waren super definiert und eindeutig zuzuordnen.

Gegen 2:00 Uhr bauten wir das Teleskop mit Montierung wieder ab. Ich verstaute das Equipment in meinen Wagen, in der Gewissheit, dass ich mit dem Jaegers Refraktor noch viele spannende und interessante Stunden der Beobachtung am Himmel vor mir habe. Ein „First Light“ ist noch keine ultimative Testung der Gerätschaften, Fernrohr wie Montierung und Stativ! Ich freue mich darauf, demnächst den Mond und die Planeten zu beobachten, dass war an dem Abend leider nicht möglich, da der Mond erst gegen 2:30 Uhr aufging und so lange wollte ich nicht mehr warten.

Autor: Ewald Segna

* Vereinszeitschrift der Sternfreunde Münster

Der Traum eines jeden Astroamateurs
Der Traum, ein professionelles Teleskop für öffentliche Zwecke nutzbar zu machen, wurde wahr. Es war aber ein schwieriger Weg mit unerwarteten Hindernissen.
Glückliche Zufälle und das Durchhaltevermögen eines ganzen Teams führten jedoch zu einem sehr schönen Erfolg. Jeder Astroamateur und jede Volkssternwarte wünscht sich ein großes Teleskop, um möglichst viele Details des Mondes und der Planeten zu sehen und kleinere Deep-Sky-Objekte zu beobachten.

Das Observatorium Hoher List (OHL) oberhalb von Schalkenmehren in der Eifel (vormals vom Argelander-Institut für Astronomie in Bonn betrieben) wurde im Jahre 2012 von der Universität Bonn geschlossen. Es stand dann zum Verkauf. Ein Verkauf mit drohender Umwidmung wurde durch aktive Amateurastronomen verhindert und das OHL gelangte durch schnelles Reagieren unter Denkmalschutz. Die Astronomische Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V. (AVV) nutzt seitdem die Instrumente. Das Spitzeninstrument ist ein Cassegrain-Teleskop mit 1 Meter Öffnung und 15 Metern Brennweite. Diese lange Brennweite, konzipiert für die ursprüngliche professionelle Anwendung, machte eine visuelle und fotografische Nutzung für aktive Vereinsmitglieder oder interessierte Besucher kaum möglich.

Um das Teleskop für öffentliche Führungen und Beobachtungen nutzen zu können, kontaktierte man mich mit der Frage, ob ich einen Fokalreduktor entwickeln könne, um die Brennweite von 15 auf 6 Meter zu reduzieren. Dann könnte man mit handelsüblichen digitalen Spiegelreflexkameras oder modernen digitalen Astrokameras arbeiten. Visuelle Beobachtungen wären dann auch möglich, natürlich nur mit Okularen langer Brennweite und geeignetem Gesichtsfeld. Doch ob die Reduzierung Erfolg haben würde, war lange Zeit ungewiss, zumal der Wunsch nach einem großen Gesichtsfeld da war. Die Winkelauflösung des Teleskops ist sehr hoch, was man natürlich voll ausnutzen möchte. Dann ist aber sehr gutes Seeing eine Voraussetzung.

Das 1-Meter-Teleskop kommt aus deutschniederländischer Herstellung. Die Optik stammt von Askania, einer Tochter von Zeiss, Teleskop-Tubus und Montierung sind von Rademakers aus Rotterdam. Ursprünglich war ein Fokalreduktor von Zeiss vorhanden (Abb. 1). Dieser konnte aber aufgrund seiner früheren Anwendung nicht für den jetzt gewünschten Zweck verwendet werden. Um einen neuen Reduktor zu entwickeln, muss man die genaue Geometrie des optischen Systems kennen. Das sind die Daten der beiden Spiegel, ihr gegenseitiger Abstand und damit die Position der Bildebene. Aufgrund der Größe des Teleskops und der erforderlichen Genauigkeit ist das Messen am Teleskop besonders schwierig, da man nicht alles dazu Notwendige gut erreichen kann. In den Dokumenten im OHL-Archiv wurden diese Daten gefunden. Jedoch stellte sich heraus, dass die Brennweite von 15 Metern nicht genau stimmte, ebenso wie die Position der Bildebene.

Auch die ehemaligen Mitarbeiter des OHL konnten die nötigen Informationen nicht in den Archiven finden. Die Hoffnung, irgendwo auf die richtigen Daten zu stoßen, wurde immer kleiner. Dann ein Lichtblick: Es kam die Info, dass es auf La Silla in Chile das gleiche Teleskop gibt. Auch in diesen Archiven wurde nichts gefunden. Aber ein Eintrag in einer Referenzliste eines Artikels im ESO-Bulletin Nummer 1 gab Hoffnung. Anfragen bei mehreren Organisationen blieben ohne Ergebnis. Entweder war das Bulletin nie in ihrer Bibliothek gewesen oder es war nicht mehr da. Durch Zufall wurde die gesamte Reihe der ESO-Bulletins im Internet gefunden. Leider waren die Daten im ESO-Bulletin 1 anders als die im OHL-Archiv. Was tun? Glücklicherweise existiert Askania noch, hat aber von der Teleskopie auf die Mikroskopie umgestellt. Auf die E-Mail mit der Frage, ob im Archiv neue Informationen vorhanden seien, gab es eine sehr schnelle Antwort. Aber leider eine weitere Enttäuschung: es gab keine Unterlagen im Archiv zu diesen Daten. Daher mussten umfangreiche Messungen der Geometrie des Teleskops durchgeführt werden, leider jedoch ohne verlässliche Ergebnisse. Wie sollte es jetzt weitergehen?

Viele wurden gefragt. Auch Frau Prof. Dr. Gudrun Wolfschmidt von der Hamburger Universitäts-Sternwarte, die sich mit Astronomiegeschichte beschäftigt, wurde gefragt, ob sich in den Archiven der Hamburger Sternwarte etwas finden ließe. Und tatsächlich hatte sie etwas gefunden. Aber wieder eine Enttäuschung: Es waren die gleichen Zahlen wie die im OHL-Archiv, von denen wir wussten, dass sie nicht richtig waren. Der Vorsitzende des AVV, Prof. Dr. Uli Klein, besaß ein Astrofoto der Galaxie M 51, welches Jahre zuvor mit diesem Teleskop gemacht wurde. Mit Hilfe astrometrischer Messungen (Plate Solving) konnte die Brennweite dann genau berechnet werden. Astrometrisch werden die Positionen von Sternen auf dem Foto sehr genau gemessen. Die Größe des Bildes hängt von der Brennweite ab. Also eine umgekehrte Methode. Die Überraschung war groß. Es stellte sich heraus, dass die Brennweite nicht 15 Meter, sondern 15,69 Meter beträgt. Die Spiegel waren über die Jahre stark verschmutzt und die Spiegelschicht stark gealtert. Nachdem der Hauptspiegel und der Sekundärspiegel bei der Gelegenheit in Hamburg Bergedorf neu verspiegelt und somit wieder komplett sauber waren (Abb. 2), konnten beide Spiegel richtig vermessen werden. Die Krümmungen der Spiegel wurden mit eigenen Sphärometern und kalibrierten Messgeräten mit einer Messgenauigkeit von besser als 0,001 mm gemessen (Abb. 3). Mehr als 100 Messungen pro Sphärometer und Messuhr ergaben einen kleinen Messfehler. Es stellte sich heraus, dass die Werte der Spiegel, wie sie Prof. Dr. Wolfschmidt und im OHL-Archiv vorlagen, richtig sind – im Einklang mit der errechneten Brennweite der Optik-Software zur Berechnung der Geometrie, die sich dann ergibt. Die Überraschung war groß. Alles passte zusammen, der Abstand zwischen den Spiegeln, die Position der Bildebene – alles war korrekt.

Nun konnte losgelegt werden! Um eine gute Bildschärfe zu erhalten, sollen in der Bildebene die Bilder für alle Farben so nah wie möglich beieinander liegen. Ist dies nicht der Fall, gibt es Bilder mit Farbrändern. Mit Farbfiltern kann man die entfernen, aber ohne Filter geht die Bildqualität rapide herunter. Um die Schärfe über das erforderliche Vollformat einer DSLR zu erreichen, ist ein Linsensystem mit separaten Linsen das Beste. Dann hat man maximale Freiheit bei der Wahl der Krümmungen und der Gläser. Fantastische Ergebnisse wurden mit Triplets erzielt, bei denen eine Linse aus einem Spezialglas besteht. Aber auch hier gab es wieder ein Hindernis, das jedes Mal auftauchte: Geisterbilder durch Reflexionen an den inneren Linsenflächen (Abb. 4 und 5). Selbst mit guten Beschichtungen wären diese Geisterbilder etwa zehn Größenklassen schwächer als die Quelle. Das ist nicht gut, weil dann ein Arbeiten mit dem Instrument nicht oder kaum möglich ist. Ein ungewöhnlich großer Schritt ist ein verkittetes Triplett! Das ist bei Objektiven von Ferngläsern üblich. Dann können Reflexionen nur an den beiden Außenflächen auftreten und dieses Design zur Vermeidung von Geisterbildern war viel einfacher. Spannungen in der Kittschicht bei unterschiedlichen Temperaturen sind zu vermeiden. Zudem sind Glassorten mit vergleichbaren Ausdehnungskoeffizienten zu verwenden. Etwas schwieriger war jedoch die begrenzte Auswahl an solchen Gläsern und deren Brechungsindizes und Dispersionen (Grad der Brechungsunterschiede bei verschiedenen Farben), um eine gute optische Korrektur zu ermöglichen.

Schließlich wurde für das System ein Reduktor entwickelt, der für die Kombination eine Brennweite von 6,5 Metern ergab. Eine Reduzierung von 15,69 auf 6,5 Meter entspricht einem Faktor 0,41 und erzielt eine apochromatische Bildqualität (a) für das APS-Format von besser als einer Bogensekunde und (b) für das Vollformat besser als zwei Bogensekunden bei einer Fokusposition für Violett bis Tiefrot (Abb. 6). Die Nachfrage, ob handelsübliche Fokalreduktoren verwendet werden könnten, wurde negativ beantwortet. Diese haben oft ein zu kleines Bildfeld oder lassen sich nicht in die vorhandene Geometrie des Teleskops einpassen. Die Mechanik des Teleskop-Tubus konnte nicht geändert werden, da sie durch die ursprüngliche Verwendung des Teleskops vorgegeben war. Daher wurde ein maßgefertigter Reduktor umso notwendiger. Als das Design fertig war, wurde es nach vollständiger Berechnung von Toleranzen, Geisterbildern usw. fertiggestellt. Die Linsen wurden von einem pensionierten Mitarbeiter der Feinoptikabteilung von Zeiss hergestellt. Er stellte auch eine Halterung her, und so stand der Reduktor nach über einem Jahr auf dem Schreibtisch (Abb. 7): Öffnung 10 cm, Bildfelddurchmesser 4,5 cm und alles mit normalen Gläsern, aber mit hohen Anforderungen an die Reinheit, wenig Schlieren, Spannungen etc.

Nun wurde der neue Fokalreduktor am Teleskop angebaut und es gab „first light“. Alle waren natürlich sehr auf die Leistungsfähigkeit des Reduktors gespannt. Die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen (Abb. 8). Die fotografischen Bilder waren von hoher Qualität und das System ist auch visuell sehr gut brauchbar. Das war möglich, weil es optisch die Qualität von etwa 1/10 λ hat! Ein Traum wurde Wirklichkeit, und so steht ein riesiges Instrument für öffentliche Präsentationen und für aktive Mitglieder der AVV zur Verfügung, mit dem man visuell mit 15,7 Metern Brennweite beobachten und mit 6,5 Metern fotografieren kann.

Autor: Harrie Rutten

Abb.: 1 Das 1-Meter-Teleskop des OHL mit dem alten Reduktor von Zeiss.
Abb.: 2 Der Primärspiegel vor und nach der neuen Beschichtung.
Abb.: 3 Der Autor bei der Vermessung von Sekundär- und Primärspiegel.
Abb.: 4 Das Entstehen von Geisterbildern aufgrund von Reflexen, hier an den letzten zwei separaten Linsen.
Abb.: 5 Beispiel für Geisterbilder in den Plejaden M 45, Aufnahme mit dem 4 -m-Canada-France-Hawaii-Teleskop und Koma-Korrektor.
Abb.: 6 Die Streufiguren zeigen die optische Qualität des Spiegels für 435 bis 706 nm im unteren, rechten Viertelausschnitt einer Vollformat-DSLR-Kamera an 12 verschiedenen Positionen (stark herausvergrößert). Der große Kreis (Mitte rechts) entspricht einem Winkeldurchmesser von 2 Bogensekunden (2‘‘). In der kleinen Figur darunter sieht man verkleinert das volle Format mit dem Viertelausschnitt und den darin befindlichen 12 Streufiguren.
Abb.: 7 Der neue Fokalreduktor: Die Frontlinse hat 100 mm Öffnung.
Abb.: 8 First Light mit dem neuen Fokalreduktor: Der PN Abell 13 mit einer Helligkeit von 15 mag. Die schwächsten Sterne sind lichtschwächer als 20 mag. DSLR Nikon Z6, Stack von 10 Aufnahmen je 5 Minuten belichtet. (Bild: Harald Simon)