Geschichte

Das historische Galilei-Teleskop
Wer hat’s erfunden? Die Schweizer waren es nicht. Es war aber auch kein Italiener. Es waren Niederländer. Der bekannteste unter ihnen hieß Hans Lipperhey. Ihm wird die Erfindung des Fernrohrs zugeschrieben. Doch er hatte Konkurrenz

Um 1608 machten nämlich auch andere Optiker ihren Anspruch geltend. Einer von ihnen war Zacharias Janssen, wie Lipperhey ebenfalls Optiker aus Middelburg in der niederländischen Provinz Zeeland. Und so erhielt Lipperhey wegen der vielen Mitbewerber auch nicht das erstrebte Patent. Ich möchte hier nicht weiter in die Tiefe zu gehen. Es tauchen neben den Genannten noch einige andere Namen auf, die sowohl mit dem Bau des ersten Fernrohrs als auch damit, wer als erster ein Fernrohr in den Himmel gerichtet hat, in Verbindung gebracht werden können. Dies hier noch weiter auszuführen, ist nicht Sinn und Zweck dieses Artikels. Es soll hier um das Fernrohr gehen, für das Galileo Galilei oft fälschlicherweise als Erfinder genannt wird.

Tatsächlich war es so, dass die Erfindung des Fernrohrs Galileo Galilei zu Ohren kam. Er entwickelt es nur aufgrund der Beschreibung so weiter, dass es mit einer 8- und sogar 13-fachen Vergrößerung die aus den Niederlanden stammenden Fernrohre übertraf, die Objekte gerade einmal mit dreifacher Vergrößerung darstellten. Später brachten es Galileis Fernrohre sogar auf eine 33-fache Vergrößerung. Das Galilei-Fernrohr hat als Objektiv eine Sammellinse. Auf der gegenüberliegenden Seite des Rohres befindet sich als Okular eine Zerstreuungslinse. Das Gesichtsfeld ist sehr klein, allerdings sieht man die Objekte aufrecht und seitenrichtig. Der Fokus wird durch feinfühliges Ein- und Ausschieben des Okulars am Ende des Tubus, also der Okularseite erreicht.

Schon lange wollte ich wissen, was Galilei damals durch sein Fernrohr sehen konnte. Um das Fernrohr nachbauen zu können, benötigte ich auf jeden Fall die beiden Linsen. Für den Rest dachte ich an einen 3D-Druck. Auf der Suche nach preiswerten Linsen stieß ich dann aber auf ein Kartonreplikat von Astromedia. Hierbei handelt es sich um einen Bausatz. Die passenden Linsen gehören dazu. Preisvergleiche ergaben, dass man „Das Historische Galileo-Teleskop“ mit sauber gedruckten und vorgestanzten Teilen bei buecher.de für gerade einmal 12,99 Euro inklusive Versandkosten erwerben kann. Vermutlich hätte sich der Preis allein für die Linsen bereits in dieser Größenordnung bewegt.

Als Vorlage diente dem Konstrukteur Klaus Hünig ein schlichtes „Arbeitsteleskop“ Galileis mit 14-facher Vergrößerung. Die Gesamtlänge und somit die Objektivbrennweite sind um 20 cm kürzer als das Vorbild. Das Fernrohr hat damit eine Länge von 78 cm. Die Verkürzung bewirkt zwar eine Reduzierung der Vergrößerung auf 12-fach, dafür wird das Fernrohr aber handlicher. Mit der guten Beschreibung, die dem Bausatz beiliegt, war das Fernrohr schnell gebaut.

Als Galilei am 7. Januar 1610 durch sein Fernrohr blickte, stieß er auf Jupiter. Er entdeckte drei Sterne, wovon zwei östlich und einer westlich von Jupiter standen. Er erkannte diese Konstellation, weil er sich „ein sehr vorzügliches Instrument gebastelt hatte“. Erst am 13. Januar sah er zum ersten Mal auch den vierten Mond. Im Sidereus Nuncius, erschienen im März 1610 in Venedig, beschreibt er Nacht für Nacht die Veränderungen, die er beobachtete, unterbrochen nur durch Nächte mit bewölktem Himmel. Seine Beobachtungen enden am 2. März 1610 (Quelle „Suhrkamp – Galileo Galilei… – 3. Auflage 2014)“.

Mein erstes Ziel mit dem Fernrohr war der Mond. Dieser erste Test war beeindruckend positiv. Als nächstes wollte ich wissen, wie sich Jupiter zeigt und ob man seine Monde ebenfalls erkennt. Auch dieser Anblick war erstaunlich und so machte ich mich daran, die tragenden Teile für den 3D-Druck nachzukonstruieren. Ich hatte von Anfang an die Absicht, diesem Artikel zumindest ein Foto beizufügen, um zeigen zu können, was man durch dieses Fernrohr sieht. Dafür musste es robuster als das Kartonexemplar sein, denn das Gewicht einer Kamera traute ich dem Pappteleskop nicht zu. Aber dafür ist es auch nicht gedacht. Mit dem 3D-Druck-Exemplar war es nun möglich, eine Kamera zu adaptieren und ruckelfrei zu fokussieren (siehe Abb.  1). Wie man den Mond, beziehungsweise wegen des kleinen Gesichtsfeldes einen Ausschnitt des Mondes sieht, erkennt man auf Abb. 2. Beispielhaft sind auf Abb. 3 Jupiter und seine Monde so dargestellt, wie Galilei sie am 15.01.1610 gesehen haben muss (Quelle Stellarium). Die vier Monde nannte Galilei zu Ehren Cosimo II. de’ Medici „Cosimos Sterne“. Nicht ohne einen gewissen Hintergedanken, denn dieser ernannte Galilei dann auch im Herbst 1610 zum Hofmathematiker und -philosophen. Zudem wurde er zum Ersten Mathematikprofessor in Pisa ernannt.

Mein Experiment hat mir sehr viel Spaß gemacht und vielleicht regen meine Ausführungen zur Nachahmung an.

Autor: Uwe Braasch

Literatur- und Internetnachweise (Stand: 03.07.2023)
[1] Galileo Galilei, Suhrkamp-Verlag, 3. Auflage 2014
[2] Stellarium, Stellarium.org

Abb. 1: Das aus einem Bausatz resultierende Galilei-Teleskop (Astromedia)
Abb. 2: Verstärktes Galilei-Teleskop
Abb. 3: Mondausschnitt im Galilei-Teleskop
Abb. 4: Jupiter im Galilei-Teleskop (Darstellung mit Stellarium)

 Johann Georg Repsold
– Hamburger Oberspritzenmeister, Teleskopbauer und Gründer der Hamburger Sternwarte
Die Hamburger Sternwarte in Bergedorf blickt auf eine ebenso wechselvolle Geschichte zurück, wie man sie bei seinem Gründer Johann Georg Repsold findet, der vor 250 Jahren am 19. September 1770 in Wremen, einer an der Nordseeküste nahe der Wesermündung gelegenen Ortschaft, als Sohn eines Predigers geboren wurde.

Mit 10 Jahren wurde er von seinem Vater nach Stade geschickt, um dort Theologie zu studieren. Während dieser Zeit lebte er bei seiner Großmutter. Sehr zum Verdruss des Vaters zeigte Repsold jedoch kein sonderlich ausgeprägtes Interesse an theologischen Aufgaben. Um 1788 herum gehörte er zu den Schülern von Reinhard Woltman (1757-1837), der seinerzeit Wasserbaudirektor in Ritzebüttel bei Cuxhaven war, das damals zu den außerhamburgischen Besitztümern gehörte. Unterrichtet wurde er in den Bereichen Wasserbau, Deichbau, Mathematik, Instrumentenkunde, Zeichnen und Astronomie.

Abb. 1: Büste Repsolds auf dem Gelände des Museums für Hamburgische Geschichte am Holstenwall (Bild: Christoph Braun; Quelle: Wikimedia Commons)

Mit nur 19 Jahren siedelte Repsold nach Hamburg über und wurde, wohl auf Vermittlung Woltmans, von dem Grenzaufseher Johann Theodor Reinke (1749-1825) angestellt. Dieser war mit 13 Jahren zum Vollwaisen geworden und nahm den jungen Repsold bei sich auf, wodurch er Kontakte zu vielen bedeutenden Hamburger Persönlichkeiten wie Ernst Georg Sonnin (1713-1794) erhielt. Reinke hatte unterdessen bereits ein bewegtes Arbeitsleben hinter sich und begann sich für die Elbe im Allgemeinen zu interessieren, etwa was die tidenbedingten unterschiedlichen Wasserhöhen anging. Vom Senat erbat er einen Zuschuss von 300 Mark, um einen Gehilfen einstellen zu können und dieser war Johann Georg Repsold. Eine der Aufgaben von Reinke bestand darin, die genaue geografische Position der Stadt zu ermitteln. Hierzu waren umfangreiche Himmelsbeobachtungen notwendig. Reinke und wohl auch Repsold versuchten, über den Umweg der Beobachtung von Sternbedeckungen durch den Mond oder die Beobachtung einer Sonnenfinsternis am 3. April 1791 die Position zu ermitteln. Die Ergebnisse waren jedoch kaum zu gebrauchen und zeigten Abweichungen, die bis ins 40 km östlich von Hamburg gelegene Kankelau bei Mölln reichten. Erst ein Aufenthalt des Schweizer Astronomen Johann Caspar Horner (1774-1834) und die Verwendung eines Theodoliten auf der von den Franzosen neugebauten Wilhelmsburger Brücke sollten dies entscheidend ändern. Vermutlich traf in jenen Tagen auch Repsold mit Horner zusammen, woraus sich eine langjährige Freundschaft entwickelte.

Repsold indes fand alsbald eine Anstellung als Geometer bei der Elbdeputation. Diese war zuständig für alle von Hamburg bis zur Elbmündung betreffenden Angelegenheiten des Elbstroms und eine der Ursprünge der späteren Handelskammer. 1796 wurde Repsold zum Wassertechniker befördert und war ab 1798 erst Spritzenmeister (was  vergleichbar ist mit dem Direktor der Hamburger Feuerwehr) und wurde 1809 Oberspritzenmeister und war damit für das gesamte Hamburger Löschwesen zuständig. Ihm unterstanden rund 800 Feuerwehrleute und, das war entscheidend für die weitere Entwicklung, er durfte nebenbei eine optische Werkstatt betreiben. Diese hatte er von seinem Vorgänger, den in Ruhestand getretenen Spritzenmeister Scharf übernommen, was den endgültigen Einstieg in Instrumentenbau und beobachtende Astronomie darstellte. Kurioserweise heiratete Repsold dann auch dessen Tochter Margaretha Eleonore Scharf, mit der er 8 Kinder zeugte, die jedoch oft nur wenige Monate oder Jahre lebten. Seine Söhne Adolf (1806-1871) und Georg (1804-1885) sowie seine Enkel Oscar (1842-1919) und Johann Adolf (1838-1919) sollten später sein Erbe fortführen. In unseren Tagen wurden daher gleich mehrere Löschboote im Hamburger Hafen nach Repsold benannt. Einzig sein Sohn Adolf Repsold war ebenfalls bei der Feuerwehr tätig, musste diese Tätigkeit aber schon nach wenigen Jahren aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen wieder einstellen.

Abb.1: Historischer Stich der Beyerschen Sternwarte am Baumwall, Haus Nr. 18, schräg hinter der Nr. 17. (Bild: Friedrich Probst; Quelle: Wikimedia Commons)

Der Instrumentenkonstrukteur
Mit der Ernennung zum Spritzenmeister konnte er am Herrengraben die Dienstwohnung von Scharf übernehmen, der er seine feinmechanische Werkstatt angliederte, die er zur Herstellung astronomischer und geodätischer Instrumente nutzte. Er wirkte dabei aber eher als Konstrukteur denn als Instrumentenbauer, wenngleich er auch selbst Geräte anfertigte. So führte er Mikroskopie und Astronomie zusammen, in dem er kleine Mikroskope entwickelte, mit denen man die Teilkreise an Fernrohren leichter ablesen konnte. Dieses Prinzip verbesserte die Ablesegenauigkeit an Meridiankreisen erheblich und findet sich heute noch an einigen Teleskopen der Hamburger Sternwarte wieder. Ganz zu Anfang hatte er für Horner, der von der Hamburger Commerzdeputation den Auftrag zur Neuvermessung der Mündungen von Elbe, Weser und Eider erhalten hatte, mehrere nautische, geodätische und astronomische Instrumente hergestellt, die es seinerzeit nirgends zu kaufen gab. Dafür beriet Horner Repsold bei der Anschaffung bzw. dem Bau eigener astronomischer Instrumente.

Abb. 3: Jesse Ramsden (Bild: Alexander Tilloch; Quelle: The Philosophical Magazine/Wikimedia Commons)

Nachdem die Arbeit bei der Konstruktion und Herstellung von Zusatzgeräten, aber auch Fernrohren, immer mehr wurde, insbesondere nach dem Tod Johann Georg Repsolds, machten seine Söhne und Enkel aus dem beschaulichen Familienunternehmen die Fa. „A. Repsold & Söhne“, die praktisch zwischen 1830 und 1919 bestand und Weltruf erlangte. Sie hatte ihren Sitz zunächst am Herrengraben, dann ab 1854 in der Böhmkenstraße in Hamburg und ab 1872 am Mittelweg in Borgfelde, östlich des Stadtzentrums.

Die Liste der noch unter Johann Georg Repsold gefertigten Instrumente ist lang und wurde immer umfangreicher. Man lieferte z. B. den großen Refraktor mit 76 cm Öffnung und 14 m Brennweite an die Pulkower Sternwarte aus, die Hamburger Sternwarte erwarb den 60-cm-Refraktor (1912) und man hatte mehrere Meridiankreise (1909) gebaut. Bekannt sind auch diverse geodätische Instrumente. Die Firma wurde zur größten Hamburger Optik- und Instrumentenschmiede. Leider reicht der Platz an dieser Stelle nicht aus, die wechselvolle Geschichte des Unternehmens zu würdigen.

Abb. 4: Ernst Georg Sonnin (Bild: Johann Marcus David; Quelle: Wikimedia Commons)

Observatorien in Hamburg

Die erste neuzeitliche Einrichtung dieser Art gab es ab 1722 am Baumwall, nicht weit entfernt von Repsolds erster Sternwarte. Gründer war Tischlermeister Johann Beyer (1673-1751), der ganz oben in einem Haus Mauerquadranten und Armillarsphären und wohl auch Fernrohre für die Beobachtung von Sonnenflecken und Jupitermond-Ereignissen nutzte. Dieses als „Steerenkiker-Huus“ weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Objekt, über das in zahlreichen Artikeln des „Hamburger Correspondenten“, der ersten Tageszeitung Hamburgs, berichtet wurde, empfing einige der damaligen namhaften Astronomen. Dennoch bewahrte es sein Bekanntheitsgrad nicht vor dem Abriss im Jahr 1823 durch den Grundeigentümer. Auch eine Initiative von Johann Elert Bode (1747-1826) nach Hinweisen von Johann Georg Büsch (1728-1800) aus dem Jahr 1770, dieses Gebäude als „Hamburger Sternwarte“ zu deklarieren, half nicht.

Eine zweite Sternwarte wurde von Edmund Gabory errichtet. Er stammte aus dem Elsass, war beim Optiker Jesse Ramsden (1735-1800) in London in der Lehre und zog 1796 nach Hamburg und baute an der Neuenburg Nr. 14 nahe der Nikolaikirche eine kleine Sternwarte. Im Laden dieses Hauses verkaufte er optische Instrumente und betrieb eine kleine Sternwarte. Ob Repsold davon Kenntnis hatte, ist unklar. Allerdings litt auch er sehr unter der französischen Besatzung, denn alle seine Instrumente wurden konfisziert und auf den Wallanlagen installiert, um die Umgebung der Stadt beobachten zu können.

Eine weitere wichtige Persönlichkeit war Ernst Georg Sonnin (1713-1794), der sich als Ingenieur vor allem beim Neubau der Michaeliskirche zwischen 1750 und 1762 einen Namen machte. Er war auch Astronom und beteiligte sich auf der Umrandung der Kirche an der Bestimmung der geografischen Position Hamburgs.

Abb. 5: Modell der Repsoldschen Sternwarte auf dem Stintfang (www.hs.uni-hamburg.de/DE/GNT/hh/ast/stwa-hg.htm)

Repsolds erstes Observatorium
Repsolds Interesse an der Astronomie nahm zu und er baute seinen ersten Meridiankreis. Diesen gedachte er auf dem ehemaligen Wachhäuschen auf der Albertus-Bastion auf dem Stintfang, einer Anhöhe oberhalb der heutigen St.-Pauli-Landungsbrücken, zu nutzen. Eine Anfrage an den Senat aus dem Jahr 1802 wurde positiv beantwortet, und so begann er das sechseckige Gebäude nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Neben einem Ruheraum wurden im Zentrum der Meridiankreis und ein Passageinstrument untergebracht. Die Instrumente schauten durch seitlich angebrachte Klappen nach draußen. Später kamen dann noch ein Vollkreisinstrument und ein so genanntes „Mittagsfernrohr“ hinzu. In der Ausstellung im Hauptgebäude der Hamburger Sternwarte befindet sich übrigens ein kleines Modell dieses ersten Vorläufers der Hamburger Sternwarte. In den kommenden Jahren stattete Repsold die Sternwarte mit weiteren, selbst gefertigten und gekauften Instrumenten aus. 1811 verfügte er neben den bereits erwähnten Geräten über ein Passageinstrument von Carry, einen Sextanten von Dollond sowie drei Teleskope mit 8, 6 und 2,5 Fuß Brennweite. Er legte einen kleinen Garten rund um das Gebäude an und richtete sogar eine kleine Teestube für seine Gäste ein. Überdies gab es Kontakte zur Navigationsschule, denn wie aus einer Notiz aus dem Jahr 1811 hervorgeht, hatte Repsold schon zu diesem Zeitpunkt Überlegungen angestellt, beide Institutionen unter einem Dach zusammenzuführen.

Abb. 6: Zeitgenössischer Stich der Sternwarte am Holstenwall (https://upload.wikimedia.org/ wikipedia/common/8/85/Hamburg_Wallanlagen_Sternwarte_by_Suhr.jpg)

Kontakte zur dänischen Sternwarte in Altona
Ab 1808 war Repsold mit Heinrich Christian Schumacher (1780-1850), Königlicher Hofastronom der dänischen Sternwarte zu Altona und 1821 Begründer der „Astronomischen Nachrichten“, einer bis heute 10x jährlich erscheinenden astronomischen Fachzeitschrift, befreundet. 1821 hatte dieser in der Palmaille Nr. 9 eine Sternwarte gegründet, die dem dänischen König unterstand. Von ihm lernte Repsold viel über Instrumentenbau und astronomische Beobachtungstechniken. Dabei dürfte es auch zu einigen Beobachtungstreffen in Altona gekommen sein, die jedoch nicht dokumentiert sind. Bekannt ist eher, dass Schumacher des Öfteren bei Repsold vorbeischaute und beide gemeinsam an der Sternwarte am Stintfang beobachteten.

Repsolds Beobachtungen auf dem Stintfang und am Holstenwall
Die spannende Frage ist, welche Ergebnisse er auf dem Stintfang erzielen konnte. Darüber gibt es leider nur sehr wenige Berichte. Er publizierte diese in den von Schumacher herausgegebenen „Astronomischen Nachrichten“. Der erste findet sich 1823 im ersten Jahrgang der Zeitschrift. Der Bericht stammte von einem Herrn Hansen und umfasst die Zeiten der Sonnenfinsternisse vom 17. August 1803 und vom 16. Juni 1806 sowie einige Bedeckungsereignisse durch den Mond: Plejaden am 31. Oktober 1803, ein unbekannter Stern am 4. November 1803 sowie von δ Librae vom 31. Juli 1808. Im zweiten Bericht werden Repsolds erste Arbeiten am neuen Standort der Sternwarte am Holstenwall von Schumacher vorgestellt, die teilweise mit dem noch in Altona angestellten Observator Christian August Friedrich Peters (1806-1880) gewonnen wurden. Hierbei ging es ausnahmslos um verschiedene Sternbedeckungen durch den Mond, eine Vorstellung der neuen Sternwarte und eine Beschreibung der neuen Instrumente. Der dritte Artikel erschien nach dem Tod Repsolds und hat „Repsolds Aufstellung größerer Fernröhre“ zum Thema. Repsold selbst hat anscheinend nichts selber publiziert.

Abb. 7: Lage der Sternwarte aus einer Karte um 1890 (https:// upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/8/85/ Hamburg_Wallanlagen_ Sternwarte_by_Suhr.jpg)

Repsolds staatliche Aufgaben
Repsold war mit seinen vielfältigen staatlichen Aufgaben auch für das damals zu Hamburg gehörende Amt Ritzebüttel und damit auch für die Insel Neuwerk zuständig, die nur während der Zeit von 1937 bis 1969 zu Preußen bzw. Niedersachsen gehörte. So sorgte er auf den Leuchttürmen der Insel für eine neue Beleuchtung, die wegen der Besetzung durch die Franzosen unter Napoleon Bonaparte (1769-1821) und der damit verbundenen Kontinentalsperre, die jegliche Kontakte nach England unterbinden sollte, aber erst 1814/15 eingebaut werden konnte. Er machte sich auch seine Gedanken über das Zustandekommen von Feuern in der Stadt, den vielen Holzhäusern und den trockenen Waren in den alten Speichern, doch fand er nur wenig Gehör. Genau dieser Umstand führte jedoch 12 Jahre nach dem Tod Repsolds zum Großen Hamburger Brand von 1842, bei dem weite Teile Hamburgs verwüstet wurden.

Abriss der ersten Sternwarte während der Franzosenzeit und Zwischenzeit
Leider musste die Sternwarte auf dem Stintfang 1811 bzw. 1812 während der Besatzung durch napoleonische Truppen abgerissen werden. Dabei war die Stadt Hamburg bereits seit 1806 unter französischer Kontrolle und von 1811 bis 1814 direkt in das napoleonische Kaiserreich eingebunden. Nach den Befreiungskriegen und durch die Nordarmee aus Schweden, Russen, Preußen und Briten, die die Franzosen vertrieben, wurde Hamburg wieder frei und der Wiener Kongress bestätigte 1815 die Souveränität der Stadt, die sich fortan „Freye und Hansestadt“ nennen durfte und sogleich dem Deutschen Bund beitrat.

Für Repsold bedeutete dies, sich wieder dem astronomischen und geodätischen Instrumentenbau widmen zu können, durch die französische Kontinentalsperre waren sämtliche Geschäftsbeziehungen praktisch zum Erliegen gekommen. In dieser Zeit unternahm Repsold mehrere Reisen, etwa mit seinem Sohn Georg nach München zu Georg von Reichenbach (1771-1826) und zu Joseph von Fraunhofer (1787-1826).

Ein Jahr später reiste Repsold mit Schumacher – auch im Auftrag des Senats – nach England und Frankreich, um dort Feuerschiffe zu besichtigen und die Möglichkeiten für den Einsatz an der Elbmündung zu erörtern. 1826 reiste er dann, diesmal mit seinem Sohn Adolf, abermals nach München und Zürich zu Johann Kaspar Horner.

Abb. 8: Modell der Hamburger Sternwarte am Millerntor in der Ausstellung im Hauptgebäude der Hamburger Sternwarte (Aufnahme: Manfred Holl)

Schwierige Neugründung der Hamburger Sternwarte
Mutig hatte Repsold gleich zu Beginn der französischen Besatzungszeit beim Hamburger Senat einen Antrag auf Neubau der Hamburger Sternwarte gestellt, der nach seinen früheren Überlegungen auch die Navigationsschule angegliedert werden sollte. Er sah darin einen gangbaren Weg, dem in dieser Frage stets reserviert agierenden Senat zu überzeugen. Die Eingabe wurde 1820 erneuert, da sie unbeachtet geblieben war. Unterstützt wurde er bei seinem zweiten Antrag von Jonas Ludwig von Heß (1756-1823), der sich insbesondere in der Besatzungszeit einen Namen als Kommandant der Bürgergarde machte, und dem Ingenieur Johann Theodor Reinke (1749-1825), einem Protegé Sonnins, der für Hamburg tätig war. Dennoch wurde die erste Eingabe erst 10 Jahre nach der ersten und zwei nach der zweiten beachtet. Der Senat war nach wie vor in dieser Frage sehr unentschlossen, sah keinen praktischen Nutzen in einer Sternwarte und stimmte erst 1824 unter der Maßgabe zu, dass Repsold sämtliche Instrumente kostenfrei zur Verfügung stellen sollte. Als Standort wurde die Henricus-Bastion festgelegt, wo sich heute das Museum für Hamburgische Geschichte befindet. Es entstand ein zweiflügeliger Bau, in dem dann tatsächlich die Navigationsschule untergebracht war. 1826 waren die meisten Bauarbeiten abgeschlossen und als Direktor konnte Carl Rümker (1788-1862) gewonnen werden, der bis dahin die australische Sternwarte in Parramatta geleitet hatte. Erster Observator wurde Christian August Friedrich Peters (1806-1880), der bis 1833 noch an der Altonaer Sternwarte arbeitete.

Abb.9: Lage der Altonaer Sternwarte um 1890 (Museum): (https://upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/8/83/Hamburg-Altona_Palmaille1890.png)

Plötzlicher Tod Repsolds
Repsold konnte seinen Traum von der Sternwarte noch verwirklicht sehen, bevor er völlig unerwartet am 14. Januar 1830 bei einem Feuerwehreinsatz in einem Lampengeschäft ums Leben kam. Er wurde von einem brennenden Holzbalken erschlagen und das Haus stürzte über ihm zusammen. Nach einer Vakanz von drei Jahren wurde die Hamburger Sternwarte dann 1833 als Hamburger Staatsinstitut von der Stadt übernommen. Aufgrund des immer schlechter werdenden Standorts (Stichwort Lichtverschmutzung!) und der mangelnden Erhaltung der baulichen Substanz wurde die Sternwarte ab den Jahren 1905/06 nach Bergedorf verlagert. Zu Ehren Repsolds wurden in Hamburg mehrere Löschboote sowie die gleichnamige Straße im Hamburger Stadtteil Hammerbrook nach ihm benannt. Ein von Arnold Schwassmann (1870-1964) 1919 entdeckter Hauptgürtelasteroid trägt heute seinen Namen – 906 Repsolda – ebenso wie der Impaktkrater Repsold im westlichen Teil des Oceanus Procellarum auf dem Mond, der zudem die Rimae Repsold, ein kleines Rillensystem, aufweist. Und nicht zu vergessen: Die Gesellschaft für volkstümliche Astronomie e.V. (GvA) betrieb zwischen 1970 und 2002 auf dem Flaggenbalkon des Planetariums die GvA-Repsold-Sternwarte.

Autor: Manfred Holl

Literatur- und Internethinweise (Stand: 14.06.2020):
[1] J. Schramm, 1996: „Sterne über Hamburg“, Kultur- und Geschichtskontor, 1. Auflage
[2] Johann Georg Repsold: https://de. wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Repsold
[3] Johann Georg Repsold: www.friedensblitz.de/sterne/repsold/JG-Repsold-frueh.html
[4] Johann Georg Repsold: www.friedensblitz.de/sterne/repsold/JG-Repsold.html
[5] Hamburger Sternwarte: https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Sternwarte#Erste_Sternwarte_am_Stintfang
[6] Johann Adolf Repsold: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Adolf_Repsold
[7] Hamburg Observatory: http://www.hs.unihamburg.de/DE/GNT/hh/biogr/repsold.htm
[8] Hamburg Observatory: www.hs.unihamburg.de/DE/GNT/hh/ast/repsinst.htm
[9] Johann Theodor Reinke: www.friedensblitz.de/sterne/grossvaeter/Reinke.html
[10] Repsolds Beobachtungen: http://articles.adsabs.harvard.edu/pdf/1822AN……1..325R
[11] Beobachtungen auf der Hamburger Sternwarte: http://articles.adsabs.harvard.edu/pdf/1829AN……7..379R
[12] Edmund Gabory: http://www.friedensblitz.de/sterne/repsold/Gabory.html
[13] Ernst Georg Sonnin: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Georg_Sonnin

Internethinweise (geprüft August 2020):
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Repsold
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Sternwarte_Altona
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Sternwarte#Erste_ Sternwarte_am_Stintfang
[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Christian_Schumacher
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Adolf_Repsold
[19] www.hs.uni-hamburg.de/DE/GNT/ hh/biogr/repsold.htm
[20] www.hs.uni-hamburg.de/DE/GNT/ hh/ast/repsinst.htm
[21] www.friedensblitz.de/sterne/grossvaeter/Reinke.html
[22] www.friedensblitz.de/sterne/repsold/JG-Repsold-frueh.html
[23] www.friedensblitz.de/sterne/repsold/JG-Repsold.html
[24] http://articles.adsabs.harvard.edu/pdf/1822AN……1..325R
[25] http://articles.adsabs.harvard.edu/pdf/1829AN……7..379R

Der Wolfsche Sechszöller
– Der Lebenslauf eines historischen Teleskops
Beim „Wolfschen 6-Zöller“ handelte es sich um einen 6-Zoll-Refraktor mit einem Objektiv von Reinfelder und Hertel auf einer deutschen Montierung der Firma Sendtner, der ab 1885 in einer 5-m-Kuppel im Hinterhof des Wohnhauses der Familie Wolf in der Heidelberger Märzgasse 16 aufgestellt war.

Dieses Teleskop war sozusagen das erste Mosaiksteinchen der Heidelberger Astronomie vom Königsstuhl bis zum 3,5-m-Teleskop auf dem Calar Alto. Eine besondere historische Bedeutung muss man ihm zugestehen, da mit ihm der erste Kleinplanet ((323) Brucia) auf fotografischem Wege entdeckt wurde, was eine Revolution in der Kleinplanetenforschung bedeutete.

Abb. 1: Die historische Kuppel mit dem Wolfschen 6-Zöller in der Heidelberger Märzgasse um 1890

Zunächst benutzte Max Wolf dieses Instrument für visuelle Beobachtungen. Doch schon frühzeitig setzte er auf die Fotografie. Erstes fotografisches Objekt war der Stern Zeta Ursae Majoris am 24. September 1887 mit einer Belichtungszeit von 40 s durch das Hauptrohr. Ab 1889 begann Max Wolf kleinere Objektive (Kranz 5 Zoll und Steinheil 61 mm) an den Refraktor zu montieren, um damit größere Sternfelder aufzunehmen. Der Refraktor selbst wurde bei diesen Aufnahmen als Leitrohr verwendet. Der große Erfolg folgte dann am 22. Dezember 1891, als er auf der Platte A358 mit Brucia (323) seinen ersten Kleinplaneten entdecken konnte. Dies war die erste fotografische Entdeckung eines Kleinplaneten überhaupt.

Wenige Wochen zuvor (9.-10. September 1891) belichtete Max Wolf die Region um Deneb über zwei Nächte insgesamt 13 Stunden und 5 Minuten. Auf dieser kontrastreichen Aufnahme entdeckte er die gesamte Form des Nebels NGC 7000, den Wilhelm Herschel bereits am 24. Oktober 1786 als schwache, extrem große, sehr diffuse Nebelregion entdeckt hatte. Die Form des Nebels erinnerte Max Wolf an Nordamerika, damit war der Eigenname „Nordamerikanebel“ geboren.

Abb. 2: Der 6-Zöller mit den Voigtländer-Kameras in der alten Kuppel um 1892

Ende Januar/Anfang Februar 1892 wurde das Teleskop mit einer 6-Zoll-Portraitlinse (f/5) von Voigtländer (I) aus Braunschweig aufgerüstet. Ab Januar 1893 kam eine weitere 6-Zoll Voigtländerlinse (II) hinzu, damit war der Astrograf fertig. Es konnten gleichzeitig identische Sternfelder aufgenommen werden, um etwaige Plattenfehler zu erkennen. Eine der Hauptaufgaben des Astrografen war die Suche nach neuen Kleinplaneten. Kleinplaneten verrieten sich auf den belichteten Platten durch kleine Strichspuren, aufgrund der Eigenbewegung während der relativ langen Belichtungszeit, die durchaus einige Stunden betragen konnte.

Abb. 3: Ausschnitt aus der Entdeckungsaufnahme A358 mit dem Kleinplaneten Brucia (323) vom 22. Dezember 1891. Brucia ist die kleine Strichspur an der Spitze des Pfeiles. Bei dem hellen Stern südwestlich von Brucia handelt es sich um SAO 78858. Bei dem dunklen Strich in der linken unteren Ecke handelt es sich leider um eine Beschädigung der Platte.

Die letzten Aufnahmen in der Heidelberger Altstadt wurden am 29. Juni 1897 belichtet, danach wurde das Instrument abgebaut und in einer extra hierfür errichteten Kuppel (weiße Kuppel) auf dem Gelände des neu gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums der Badischen Landessternwarte auf dem Königstuhl wieder aufgebaut.

Der reguläre Beobachtungsbetrieb auf dem Königsstuhl startete am 28. Juni 1898, Ziel war der Stern Deneb (Alpha Cygni) mit Belichtungszeiten von 30 bzw. 45 Minuten. Der 6-Zöller war nun bis zur Inbetriebnahme des Bruce-Astrografen am 16. August 1900 das Hauptinstrument der Sternwarte und wurde danach weiterhin, meist durch die Assistenten, hauptsächlich zur Suche, Überwachung und Bahnbestimmung von Kleinplaneten, Kometen und veränderlichen Sternen genutzt. Aber auch Max Wolf ließ es sich nicht nehmen, von Zeit zu Zeit mit seinem alten 6-Zöller zu beobachten.

Abb 4: Ausschnitt der historischen Aufnahme des Nordamerikanebels vom 9. und 10. September 1891

Im September 1915 trat dann ein Defekt an der Kuppel auf. Deshalb wurde das Instrument demontiert und erst nach Installation einer neuen Kuppel (schwarze Kuppel) im Juni 1919 wieder in Betrieb genommen. Die letzte Platte wurde mit diesem Instrument am 16. Juni 1939 4 min lang belichtet. Das Ziel war der Veränderliche P Cygni. Es war die Platte mit der laufenden Nummer A8393.

Der Wolfsche 6-Zöller verblieb dann vermutlich ungenutzt die nächsten beiden Jahrzehnte in seiner Kuppel. Er wurde erst 1960 abgebaut und als Museumsstück im heutigen Ostinstitut aufgestellt.

Abb. 5: Die „weiße“ Kuppel des 6-Zöllers auf dem Königsstuhl (rechts). Bei der Kuppel am linken Bildrand auf dem kleinen Turm handelt es sich um die Kuppel des Bruce-Teleskops. Aufnahme um 1900

Bis heute verließ das Instrument noch zweimal den Königsstuhl. Einmal 1961 zu einer Ausstellung anlässlich der 575-Jahr-Feier der Universität Heidelberg im Heidelberger Schloss. Den zweiten Ausflug machte der Refraktor vom November 2009 bis September 2010 in die Universitätsbibliothek nach Heidelberg, anlässlich des Internationalen Jahres der Astronomie.

Abb. 6: Der Wolfsche 6-Zöller in seiner Kuppel auf dem Königsstuhl um 1900, Bild von M. Wolf

Heute steht er wieder an seinem Platz im Heidelberger Ostinstitut und kann dort besichtigt werden. Die alte Kuppel in der Heidelberger Märzgasse ist ebenfalls noch erhalten und kann zumindest von außen besichtigt werden. Die Kuppel auf dem Königsstuhl, die zwischen dem Walz-Reflektor und dem Hauptgebäude gestanden hatte, wurde vermutlich in den 1960er Jahren abgebaut.

Die Bezeichnung „Wolfscher 6-Zöller“ geht übrigens auf Max Wolf selbst zurück. Auf dem von ihm beschrifteten Einbanddeckel des ersten Beobachtungsbuches steht: „Aufnahmen mit dem Wolf 6-Zöller“

Abb. 7: Die Sternwarte um 1930. Links im Vordergrund die „schwarze“ Kuppel des 6-Zöllers. Im Hintergrund die Kuppel des Waltz-Reflektors und am rechten Bildrand die Kuppel des Bruce-Teleskops

Abb. 8: Okulareinblick mit den Voigtländer-Kameras I und II

 

Die Abbildungen 1 – 7 für diesen Beitrag wurden freundlicherweise von der Landessternwarte, Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg zur Verfügung gestellt. Die historischen Himmelsaufnahmen sind im Internet unter http://dc.g-vo.org/hdap frei verfügbar (siehe auch: Sterne und Weltraum 3/2010, S. 68).
Besten Dank auch an Herrn Dr. Holger Mandel für die Unterstützung bei Recherchen in der Landessternwarte Heidelberg.

Autor: Klaus Wenzel

Der Siegeszug des Glasspiegels
Die Sternwarte in der französischen Stadt Marseille verfügte über eines der ersten größeren Teleskope mit einem versilberten Glasspiegel, und ihre Astronomen konnten damit ein Jahrhundert lang erfolgreich den Himmel beobachten. Noch heute zeugt hier der original erhaltene historische Reflektor vom einstigen Siegeszug der Spiegelteleskope.

Seit langem gilt es im Teleskopbau geradezu als Selbstverständlichkeit, dass die Spiegelträger der Reflektoren aus Glas zu bestehen haben. Zumindest setzte sich diese Ansicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch. Berühmte Himmelsbeobachter wie William und John Herschel oder der irische Lord Rosse waren in der Zeit zuvor noch auf Metallspiegel mit ihren gravierenden Nachteilen angewiesen. Die Metallspiegel bestanden in der Regel aus einer Legierung von Kupfer und Zinn und erblindeten sehr schnell. Sie mussten daher in kurzen Abständen immer wieder neu bearbeitet und poliert werden.

Abb. 1: Der Physiker und Astronom Carl August von Steinheil gründete im Jahr 1855 in München eine „Optische und astronomische Werkstätte“, die es in der Fachwelt bald zu hohem Ansehen brachte. Zusammen mit dem Chemiker Justus von Liebig entwickelte er den ersten Glasspiegel, der mit einer reflektierenden Silberschicht überzogen war (© Public Domain).

Der versilberte Glasspiegel
Schon im Jahr 1856 hatte der Münchner Optikkonstrukteur Carl August von Steinheil (1801 – 1870) zusammen mit dem Chemiker Justus von Liebig (1803 – 1873) einen Teleskopspiegel aus Glas gefertigt, der mit einer reflektierenden Silberschicht versehen war (Abb. 1). Er publizierte das neue Verfahren in der in Augburg erscheinenden „Allgemeinen Zeitung“ vom 24. März 1856. Darin heißt es: „Wenn also ein gewöhnliches Glas nur auf einer Seite mit genauer Gestalt sphärisch hohl geschliffen wird, so entsteht durch Versilberung derselben ein Teleskop-Spiegel…. So kann begreiflicherweise die Herstellung mächtiger Teleskope sehr leicht und wohlfeil werden“ (Abb. 2). Steinheils Teleskop aus dem Jahr 1856 hatte zwar nur eine Öffnung von vier Zoll, war aber das erste Spiegelteleskop der Welt mit einem chemisch versilberten Glasspiegel, das „bei 100maliger Vergrößerung ein wundervoll reines helles Bild zeigte“ [1]. Dass Steinheil seine Neuentwicklung nicht in einer der gängigen Fachzeitschriften veröffentlichte, bedeutete auch, dass sich seine Priorität für die Erfindung des Glasspiegels in der Fachwelt nicht durchsetzte.

Abb. 2: In ihrer Ausgabe vom 24. März 1856 berichtete die in Augsburg erscheinende „Allgemeine Zeitung“ über die „Eröffnung der optischen und astronomischen Werkstätte von C. A. v. Steinheil in München“. In diesem Artikel wird zum ersten Mal von einem Teleskop berichtet, das mit einem versilberten Glasspiegel ausgestattet war (Quelle: Allgemeine Zeitung von 1856).

In den 1860er Jahren fertigte Steinheil etliche „Glassilberspiegel-Teleskope“ mit Öffnungen zwischen 6 und 12 Zoll. Im Februar 1860 veröffentlichte die Zeitschrift Astronomische Nachrichten ein „Preis-Courant der optischen und astronomischen Werkstätte von C.A. Steinheil in München“. Darin werden mehrere „Glassilberspiegel-Teleskope“ aufgeführt, deren größtes eine Öffnung von 12 Zoll hatte, eine 600-fache Vergrößerung ermöglichte und 1500 Gulden kostete (Abb. 3). Nach damaliger Kaufkraft entspricht dieser Preis heute einem Betrag von mehr als 20 000 Euro.
Der als Himmelsfotograf bekannt gewordene Astronom Warren de la Rue (1815 – 1889) besuchte im Jahr 1858 die Firma Steinheil und bestellte einen solchen Spiegel mit einer Brennweite von 3,2 Metern. Es ist anzunehmen, dass er damit einen Teil seiner berühmten Mondaufnahmen anfertigte [2]. Nach 1870 gab Steinheil die Produktion der Spiegelteleskope wohl wegen zu geringer Nachfrage wieder auf.

Abb. 3: Eine im Jahr 1860 in den Astronomischen Nachrichten veröffentlichte Preisliste der Steinheilschen Werkstätte verzeichnet etliche Glassilberspiegel-Teleskope mit einer Öffnung von bis zu 12 Zoll (Quelle: Astronomische Nachrichten 52, 205, 1860).

Glasspiegel aus Paris
Es war der Physiker, Erfinder und Instrumentenbauer Léon Foucault (1819 – 1868) in Paris, der dem Glasspiegel um das Jahr 1860 letztlich zum Durchbruch verhalf (Abb. 4).
Ein Jahr nach Steinheils Veröffentlichung stellte Foucault – ohne von den Arbeiten Steinheils Kenntnis zu haben – der Fachwelt seinen ebenfalls chemisch versilberten Konkavspiegel mit 100 Millimeter Durchmesser vor [3].
Im Observatorium von Paris ist ein Teleskop aus dem Jahr 1860 erhalten, das mit einem der ersten von Foucault gefertigten Spiegel ausgestattet war. Der Reflektor besitzt eine Öffnung von 20 Zentimetern bei einer Brennweite von etwa einem Meter. Die weitgehend aus Holz bestehende parallaktische Montierung ist in der charakteristischen Bauweise ausgeführt, wie sie für die Pariser Instrumentenbauer Secrétan und Eichens kennzeichnend ist (Bild 5). Der schon im Juli 1858 von Foucault parabolisch geschliffene Spiegel soll von hoher Qualität gewesen sein, leider ist er verloren gegangen. Das Instrument wurde bereits im Jahr 1860 zur Beobachtung der Sonnenfinsternis in Spanien eingesetzt [4].

Abb. 4: Der geniale Physiker, Erfinder und Instrumentenbauer Léon Foucault ist allgemein vor allem bekannt für die Erfindung des Pendels zum Nachweis der Erddrehung. Ihm sind aber auch viele Entdeckungen und Erfindungen auf dem Gebiet der Physik, Optik und Astronomie zu verdanken. Ohne von den Arbeiten Steinheils zu wissen, gelang ihm kurze Zeit später ebenfalls die Herstellung eines versilberten Glasspiegels. Grabmal auf dem Friedhof Montmartre in Paris.

Im Jahr 1862 gelang Foucaults Meisterstück, ein versilberter Parabolspiegel von 80 Zentimeter Durchmesser und 4,5 Meter Brennweite für das Pariser Observatorium. Zur präzisen Bearbeitung der im Saint-Gobain-Werk gegossenen Glasscheibe wandte Foucault das von ihm erfundene Schneidenverfahren an, das eine einfache, aber sehr empfindlich reagierende Prüfung der Spiegeloberfläche ermöglicht. Die dabei gefundenen Abweichungen von der Idealform können dann durch lokale Retusche behoben werden.
Die am Stadthimmel von Paris durchgeführten Beobachtungen bestätigten die hohe Qualität des Spiegels, sodass es sich empfahl, für das Teleskop einen Standort mit besseren klimatischen Bedingungen im Süden Frankreichs zu suchen. Eine zeitgenössische Graphik zeigt das Instrument auf der Terrasse des Pariser Observatoriums (Abb. 6).


Abb. 5: Eines der ersten Teleskope, das mit einem von Léon Foucault gefertigten Glasspiegel ausgestattet war, befindet sich noch im Pariser Observatorium. Der Reflektor aus dem Jahr 1860 hat eine Öffnung von 20 Zentimetern und wird von einer Holzmontierung getragen, wie sie damals für die Werkstatt von Secrétan und Eichens typisch war. Das Gemälde im Hintergrund  ist aus dem Jahr 1832 und zeigt den französischen Astronomen François Arago (1786 - 1853), der zeitweise auch das Observatoire de Paris leitete.

Zu jener Zeit leitete Urbain Le Verrier (1811 – 1877) die Sternwarte in Paris. Er hatte durch seine theoretischen Vorhersagen bei der Entdeckung des Planeten Neptun Berühmtheit erlangt (Abb. 7). Für die Verlegung von Foucaults Reflektor in den Süden kamen drei Städte in die engere Auswahl, nämlich Montpellier, Marseille und Toulon. Le Verriers Entscheidung für die Stadt Marseille war wohl auch dadurch begünstigt, dass dort bereits seit dem Jahr 1702 eine Sternwarte bestand.
Die von den Jesuiten zu Beginn des 18. Jahrhunderts gegründete Sternwarte von Marseille befand sich in der Nähe des Alten Hafens, des „Vieux Port“. Sie erlangte vor allem Bekanntheit durch die häufigen Besuche des ungarisch-deutschen Astronomen Franz Xaver von Zach (1754 – 1832) und durch die Beobachtungserfolge des Kometenentdeckers Jean-Louis Pons (1761 – 1831).

Abb. 6: Das Foucault-Teleskop wurde anfangs an der Sternwarte von Paris auf einer azimutalen Montierung benützt und erst für die Verwendung in Marseille mit einer parallaktischen Montierung versehen. Die um das Jahr 1864 entstandene Graphik zeigt das Teleskop auf der Terrasse des Pariser Observatoriums (Quelle: Guillemin, A.: Le Ciel, Tafel XXXVII, S. 607, Paris, 1865, Webseite

Foucaults Reflektor in Marseille
Anlässlich der Übersiedelung von Foucaults Teleskop nach Marseille entschied sich Le Verrier für den Neubau einer Sternwarte, die gleichzeitig eine Außenstelle des Observatoriums von Paris werden sollte. Dies bedeutete die Aufgabe der alten Sternwarte von 1702 zugunsten eines Standorts auf dem 75 Meter hoch gelegenen Plateau Longchamp, wo der Neubau nach Plänen des Architekten Henri Espérandieu um das Jahr 1863 entstand.
Im September 1864 traf der in 14 großen Kisten verpackte Foucaultsche Reflektor in Marseille ein und wurde in einem zylinderförmigen Kuppelgebäude von 7,5 Meter Durchmesser aufgestellt. An dem etwas eigenwilligen Erscheinungsbild des ganzen Teleskops hat sich in den mehr als 150 Jahren seines Bestehens bis heute fast nichts geändert (Abb. 8).
Der aus Holz gefertigte Tubus des Reflektors wurde ursprünglich von einer azimutalen Montierung getragen. Im Jahr 1864 – vor dem Umzug nach Marseille – erhielt das Teleskop in der Werkstatt von Wilhelm Eichens eine äquatoriale Montierung, die ebenso wie auch der Tubus aus Holz hergestellt war (Abb. 9). Es handelt sich im Prinzip um eine Gabelmontierung, der man die Entstehung aus einer ehemals azimutalen Aufstellung noch ansieht. Die Mechanik des Teleskops wirkt dabei wie eine stark vergrößerte Ausführung des oben beschriebenen 20-Zentimeter-Reflektors aus dem Jahr 1860.

Abb. 7: Urbain Le Verrier, der Direktor des Pariser Observatoriums, veranlasste die Verlegung des Foucault-Teleskops in den klimatisch begünstigten Süden Frankreichs. Als Standort wählte er die Stadt Marseille, wo er zu diesem Anlass auch eine neue Sternwarte errichten ließ. Statue vor dem Observatoire de Paris.

Die Bewegung des Teleskops in Rektaszension besorgte ursprünglich ein mit einem Regler versehenes Uhrwerk, das von einem 60-Kilogramm-Gewicht angetrieben wurde. Das Uhrwerk war an den Triebkreis gekoppelt, mit dem die Gabel für den Teleskoptubus fest verbunden war (Abb. 10, 11). Auch den Uhrwerksantrieb hatte Foucault selbst entwickelt.
Im Jahr 1914 wurde das Uhrwerk durch einen Elektromotor der Firma Brillié ersetzt, der mittels eines Uhrpendels synchronisiert wurde. Damalige Beobachter klagten, dass immer wieder Zähne des Zahnrad-Triebkreises ausbrachen, was bei fotografischen Beobachtungen nur Belichtungen von ein bis zwei Stunden Dauer zuließ. Auch erschwerte die Holzbauweise der Montierung häufig das präzise Arbeiten der Astronomen.
Im Jahr 1866 übernahm Édouard Stephan (1837 – 1923) die Leitung der Sternwarte und erreichte 1873 die Loslösung vom Pariser Observatorium. Stephan, der 41 Jahre lang die Direktorenstelle innehatte, ging in die Astronomiegeschichte durch die Entdeckung zahlloser „Nebel“ ein, die er mit dem lichtstarken Foucault-Reflektor erstmalig beobachten konnte. Die meisten von ihnen waren Galaxien, darunter die aus fünf Mitgliedern bestehende Galaxiengruppe im Sternbild Pegasus, die unter der Bezeichnung „Stephans Quintett“ bekannt ist.
Obwohl die Bedingungen in der Großstadt Marseille wegen der Licht- und Luftverschmutzung zunehmend schlechter wurden, setzte Stephan seine Nebelbeobachtungen mit dem Spiegelteleskop von Foucault noch bis 1885 fort. In diesen Jahren dürfte er ungefähr 6000 Objekte beobachtet haben. Davon waren etwa 420 neu und gingen in den von John Louis Emil Dreyer (1852 – 1926) herausgegebenen „New General Catalogue“ (NGC) ein.

Abb. 8: Der 80-Zentimeter-Reflektor von Foucault war eines der ersten großen Teleskope mit einem versilberten Glasspiegel. Nicht nur der Tubus des Teleskops sondern auch die parallaktische Gabelmontierung besteht aus Holz. An seinem Erscheinungsbild hat sich in den etwa 150 Jahren seines Bestehens fast nichts geändert. Obwohl die damit arbeitenden Astronomen häufig eine stabilere Montierung aus Metall forderten, mussten sie mit dieser Bauweise bis zuletzt auskommen.

Das Foucaultsche Teleskop als Interferometer
Nach einem Vorschlag von Hippolyte Fizeau (1819 – 1896) aus dem Jahr 1868 versuchte Stephan auch, das Foucaultsche Spiegelteleskop als Interferometer einzusetzen, um den Winkeldurchmesser von Sternen zu bestimmen. Mit zwei Spaltblenden, die er im Abstand von 65 Zentimetern vor dem Spiegel angebracht hatte, konnte er bei etwa 600-facher Vergrößerung Interferenzstreifen erkennen, aus deren Anordnung er für den Winkeldurchmesser der Sterne eine obere Grenze von 0,158 Bogensekunden ableitete. Erst Jahrzehnte später gelang es Albert A. Michelson und Francis G. Pease, die Methode zu perfektionieren, um damit Sterndurchmesser beispielsweise von Roten Riesen erfolgreich zu bestimmen.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entwickelten die beiden jungen Physiker Charles Fabry (1867 – 1945) und Alfred Pérot (1863 – 1925) an der Universität von Marseille das nach ihnen benannte optische Interferometer. Im Prinzip besteht das Instrument aus zwei parallel angeordneten, teildurchlässig verspiegelten Glasplatten, die das Licht nur dann passieren lassen, wenn die vielfach reflektierten Teilstrahlen aufgrund ihrer Wellenlänge konstruktiv interferieren.
Nach anfänglichen Versuchen mit einem Merz-Refraktor verwendeten die beiden Wissenschaftler ab etwa 1912 für ihre Untersuchungen den Foucault-Reflektor. Denn dieser besitzt eine wesentlich größere Öffnung und ist außerdem frei von Farbfehlern. Mit dem Fabry-Perot-Interferometer im Primärfokus des 80-Zentimeter-Spiegels untersuchten sie – vorwiegend in der Trapezregion des Orion-Nebels – die Emissionslinien des Wasserstoffs und eines damals noch unbekannten „Elements“ Nebulium, dem Jahre später verbotene Linien des zweifach ionisierten Sauerstoffs zugeordnet werden konnten. Aus der Doppler-Verschiebung der Spektrallinien berechneten sie eine mittlere heliozentrische Radialgeschwindigkeit der Nebelmassen von +15,8 Kilometern pro Sekunde, mit der sich der Nebel vom Sonnensystem entfernt. Die Astronomen publizierten ihre Ergebnisse 1914 im Astrophysical Journal [6].

Abb. 9: Das am Teleskop angebrachte Messingschild weist darauf hin, dass das Instrument mit einem versilberten Glasspiegel von Mr. Leon Foucault ausgestattet ist. Außerdem geht daraus hervor, dass der Reflektor im Jahr 1864 von der Werkstatt M. Secrétan und W. Eichens in Paris ausgeliefert wurde.

Eine letzte größere Messkampagne hatte der Foucault-Reflektor zu bestehen, als Robert Jonckheere (1888 – 1974) von 1941 bis 1962 sich mit dem in die Jahre gekommenen Teleskop auf die Suche nach engen Doppelsternsystemen machte. Er entdeckte damit 1362 leuchtschwache visuelle Doppelsterne und vermaß sie mikrometrisch. Nach einigen Verbesserungen am Instrument konnte er noch Abstände der Doppelsterne bis zu 0,8 Bogensekunden messen [7]. Mit der Beendigung dieses Projekts kam das Aus für den prominenten Reflektor, der während eines ganzen Jahrhunderts wertvolle Beiträge zur astronomischen Forschung ermöglichte. Heute präsentiert sich der Oldtimer in bester Verfassung als historischer Meilenstein, der den Siegeszug der Spiegelteleskope eingeleitet hat.

Abb. 10: Die Bewegung des Teleskops in Stunde erfolgte über einen Zahnrad-Triebkreis mit großem Durchmesser, an den ein mit einem Regler versehenes Uhrwerk angekoppelt war. Ab dem Jahr 1914 sorgte ein durch ein Uhrpendel synchronisierter Elektromotor für den Antrieb.

Praktische Informationen:
Das Foucault-Teleskop sowie ein historischer Merz-Eichens-Refraktor können im Rahmen der Planetariumsvorstellungen besichtigt werden, welche die Vereinigung ANDROMEDE organisiert: Association ANDROMEDE, 2 place Leverrier, F-13004 Marseille.
Tel.: 0033 (0)4 13 55 21 55, andromede.13@live.fr, Web: http://andromede.id.st/exposition-permanente-p604511. Die Planetariumsvorstellung schließt auch den Besuch einer Ausstellung mit ein, die über verschiedene astronomische Themen und über die Geschichte der Sternwarte Marseille und ihrer Teleskope informiert.

Autor: Volker Witt

Alle Bilder – soweit nicht anders angegeben – © Volker Witt

Literatur:
[1] von Steinheil, C.A.: Aus einem Schreiben des Herrn Ministerialraths Steinheil an den Herausgeber. In: Astronomische Nachrichten 48, S. 145 – 150, 1858
[2] Franz, H.: Steinheil – Münchner Optik mit Tradition. H. Lindemanns Verlag, Stuttgart, 2001
[3] Foucault, L.: Note sur un télescope en verre argenté. In : Comptes Rendus, 44, S. 339 – 342, 1857
[4] Tobin, W.: Evolution of the Foucault-Secretan Reflecting Telescope. In: Journal of Astronomical History and Heritage, 19(2), S. 106 – 184, 2016
[5] Tobin, W.: Foucault’s invention of the silvered-glass reflecting telescope and the history of his 80-cm reflector at the Observatoire de Marseille. In: Vistas in Astronomy, 30, S. 153 – 184, 1987
[6] Buisson, H., Fabry, Ch., Bourget, H.: An application of interference to the the study of the Orion nebula. In: Astrophysical Journal, 40, 241 – 258, 1914
[7] Jonckheere, R.: Mesures ďétoiles doubles. Le grand télescope Foucault de Marseille. In : Journal des Observateurs, 37, S. 13 -19, 1954

Der Artikel ist in der Zeitschrift Astronomie + Raumfahrt im Unterricht , Nr. 177/178, Juni 2020 erschienen

Eine Frage der Ehre – Der spannende Wettstreit um den weltgrößten Refraktor

 Sie sind Zeugen einer bedeutenden Epoche der Astronomie: die großen Refraktoren. Heute meist nur noch Museumsstücke, gehörten sie im 19. Jahrhundert zur Standardausstattung jeder bedeutenden Sternwarte [1]. Zunächst für visuelle Beobachtungen genutzt, kamen später Fotografie und Spektroskopie hinzu. Der große Refraktor diente aber noch einem anderen Zweck: Er sollte Ruhm und Ehre bringen.

So gab es einen andauernden Wettstreit der Nationen, Sternwarten und Sponsoren. Oft entschieden nur einige Millimeter und so mancher Rekordhalter verschwand bald wieder in der Versenkung. Bei der Konstruktion wurden die Grenzen des technisch Möglichen erreicht und teilweise überschritten – einige Exemplare erinnern eher an Kanonenrohre. Ihre Länge und das enorme Gewicht von Objektiv, Tubus und Montierung erforderten gewaltige Kuppelbauten. Moderne, azimutale Teleskope mit dünnen monolithischen oder segmentierten Spiegeln und perfekt angepassten Schutzgebäuden wirken dagegen eher bescheiden. Hat demnach das Linsenfernrohr ausgedient? Wohl nicht, wie das Swedish Solar Telescope auf La Palma zeigt. Die folgende, kurze Geschichte der großen Refraktoren berichtet von Erfolgen, aber auch von Fehlschlägen und Katastrophen [2, 3]. Startpunkt ist 1824 – das Jahr in dem Joseph von Fraunhofer neue Maßstäbe im Fernrohrbau setzte.
Präzision gegen Öffnung: Dorpat, München, Berlin und Markree Weihnachten ist das Fest der Geschenke. Wilhelm Struve, Direktor der Sternwarte Dorpat (das heutige Tartu in Estland), bekam 1824 gleich 22 Kisten. Sie enthielten Fraunhofers Meisterstück: einen 24,4 cm-Refraktor mit 4,1 m Brennweite (Abb. 1) – der größte der Welt. Nachdem er die Einzelteile sorgsam zusammengefügt hatte, war das imposante Gerät an Heiligabend betriebsbereit: ein edler Mahagonitubus auf einer uhrwerkgetriebenen Montierung mit einem geschwungenen Holzstativ. John Herschel preiste es als “probably the very best refracting telescope ever made”. Sogleich machte sich Struve an die Arbeit: die Vermessung von Doppelsternen; 1827 erschien ein erster Katalog. 1835-38 bestimmte er mit dem Präzisionsinstrument die Parallaxe der Wega. Bereits kurz nach der Errichtung des Dorpat-Refraktors hatte die Münchener Sternwarte bei Fraunhofer ein Gerät von „12 Pariser Zoll“ (35,6 cm) bestellt. Durch dessen Tod im Jahr 1826 konnte der Nachfolger Georg Merz aber nur einen 28,5 cm-Refraktor liefern, der 1835 in Bogenhausen aufgestellt wurde. Im selben Jahr erhielt die Berliner Sternwarte ein Duplikat des Dorpat-Refraktors. Damit entdecken Gottfried Galle und Heinrich d’Arrest am 23. September 1846 den Planeten Neptun. Das historische Instrument ist heute im Deutschen Museum in München zu sehen. Der 28,5 cm-Merz-Refraktor steht nach wie vor in Bogenhausen. Struves „Fraunhofer“ wurde 1993 in Tartu restauriert und kann in der alten Sternwarte besichtigt werden [4].Den Titel des weltgrößten Refraktors übernahm derweil ein Unikum im irischen Markree Castle. 1831 hatte Edward Cooper, Schlossherr und begeisterter Amateurastronom, für 1200 Pfund Sterling ein 14″-Objektiv des Pariser Optikers Robert-Aglae Cauchoix erstanden. Schon bald war das zugehörige Teleskop in der neuen Sternwarte einsatzbereit. Zwischen Coopers 35,5 cm-Refraktor mit 7,6 m Brennweite und den Instrumenten von Fraunhofer und Merz liegen allerdings Welten. Zunächst mit einem einfachen Holztubus auf azimutaler Herschel-Montierung ausgestattet, wurde er 1834 von Thomas Grubb (Dublin) mit einem Tubus aus Eisen versehen und parallaktisch aufgestellt (Abb. 2a,b). Die schwere Montierung ruhte auf einer 4 m hohen Steinpyramide. Der Refraktor verfügte über keine Kuppel und war Wind und Wetter ausgesetzt, lediglich geschützt durch einen Mauerring von etwa 4 m Höhe. Coopers größte Leistung war die Erstellung des „Markree Catalogue“, der über 60000 Sterne entlang der Ekliptik enthält. Er erschien 1851-56 in vier Bänden; der zugehörige Atlas blieb unveröffentlicht und lagert heute im englischen Cambridge. Das Schicksal des Markree-Refraktors ist so seltsam wie sein Aussehen. Nach Jahren des Zerfalls kam er 1902 nach Hongkong – und stand dort wieder im Regen (Abb. 2c). 1941 wurde das Fernrohr bei einem Luftangriff stark beschädigt. Das Objektiv tat bis 1989 seinen Dienst im Littrow-Spektrographen der Sternwarte Manila. Transatlantische Rivalen: Pulkowa und Harvard Die Firma Merz, mittlerweile durch Joseph Mahler verstärkt, konterte im Jahr 1839. Die Vorgeschichte dazu spielt wieder in Dorpat, mit Wilhelm Struve als Hauptperson. Auf Anweisung von Zar Nikolaus I. begann er mit der Planung für ein russisches Nationalobservatorium in Pulkowa bei St. Petersburg. Das Hauptinstrument wurde bei Merz & Mahler in München bestellt: ein Refraktor mit 38,0 cm Öffnung und 6,9 m Brennweite (Abb. 3). Die Einweihung der Sternwarte erfolgte im August 1839 und Struve wurde ihr erster Direktor. Zentrales Arbeitsgebiet war die Doppelsternbeobachtung, wobei sich besonders Otto Struve hervortat, der 1862, zwei Jahre vor dem Tod des Vaters, die Leitung von Pulkowa übernahm. Der russische Refraktor ließ die Amerikaner nicht ruhen. Selbstbewusst wollten sie endlich der europäischen Übermacht in der Astronomie etwas entgegensetzen. Eine erste Antwort war der 1845 in Cincinnati aufgestellte 30,5 cm-Refraktor von Merz & Mahler. Überzeugt von der Qualität ihrer Instrumente, wollte man als nächstes Pulkowa übertreffen. William Bond, Direktor des Harvard College Observatory in Cambridge, Massachusetts, bestellte in München (mittlerweile Merz & Söhne) einen Refraktor mit 38,1 cm Öffnung – ein Millimeter mehr! Er leistete große Dienste bei der Beobachtung von Kometen, Planeten, Sternen und Nebelflecken (Abb. 4). Besonderen Ruhm ernteten die Entdeckung des Saturnmonds Hyperion sowie Zeichnungen des Kometen Donati 1858 und des Orion- und Andromedanebels. Der 15-Zöller ist heute noch in Harvard zu sehen. Amateure auf dem Vormarsch: Craig, Porro, Buckingham und Newall Die meisten wohlhabenden Amateure bevorzugten – in der Tradition von William und John Herschel – große Teleskope mit Metallspiegeln und beobachteten Nebel; Beispiele sind Lord Rosse und Lassell mit ihren selbstkonstruierten 72- bzw. 48-Zöllern [5]. Nur wenige besaßen einen Refraktor, gemeinhin das Instrument der Fachastronomie an staatlichen oder Universitätssternwarten. Neben Edward Cooper war der renommierte Doppelsternbeobachter James South einer der ersten. Der 1832 errichtete 11¾-Zöller brachte ihm allerdings kein Glück. Frustriert über die mangelhafte Qualität des Geräts ging es bei einem Wutanfall zu Bruch; die Einzelteile wurden kurzerhand versteigert. Das Cauchoix-Objektiv verwendete man später für das Hauptinstrument („South Equatorial“) des Dunsink Observatory bei Dublin. Im August 1852 stellte John Craig in Wandsworth bei London einen neuen Rekord auf. Gegenüber Pulkowo bzw. Harvard wurde die Öffnung um 60% gesteigert (die Brennweite von 23,2 m und das Öffnungsverhältnis von 1:38 wurden erst 1900 übertroffen). Das gewaltige 61 cm-Objektiv stammte von Robert Chance; der zigarrenförmige Metalltubus und die bizarre „Turmmontierung“ sind das Werk von William Gravatt (Abb. 5). Aufgrund mechanischer und optischer Probleme (fehlerhaft korrigierte Linsen) wurde der Refraktor bereits 1856 wieder abgebaut. Er räumte das Feld für ein neues Monsterteleskop. Der italienische Optiker Ignazio Porro stellte es 1856 in einem Pariser Park auf. Die Öffnung war mit 52 cm zwar etwas geringer als beim Craig-Refraktor, dafür war die optische Qualität aber deutlich höher (die Brennweite betrug 15 m). Das Fernrohr war azimutal montiert; der Schwerpunkt lag nahe dem Okular (ähnlich wie später beim Treptower Refraktor). Bereits bei ersten Tests mit bis zu 1200facher Vergrößerung entdeckte Porro einen neuen Stern im Trapez des Orionnebels. Zwar bezweifelte Leverrier, der streitbare Direktor des Pariser Observatoriums, dessen Existenz, der schwache Stern konnte aber 1888 von Barnard am Lick-Refraktor bestätigt werden. Auch Porros Teleskop hatte nur eine kurze Lebensdauer und ein weiterer Amateur betrat die Bühne: James Buckingham. Sein 1862 in Walworth bei London aufgestellter Refraktor besaß 54 cm Öffnung und 8,7 m Brennweite (Abb. 6). Buckingham, Besitzer eines angesehenen metallverarbeitenden Betriebs, hatte das parallaktisch montierte Gerät selbst konstruiert (das Objektiv stammte von William Wray). Wie seine Vorgänger stand es im Freien. 1896 bekam der Refraktor einen neuen Standort (diesmal mit einer 11 m-Kuppel): das City Observatory auf dem Calton Hill in Edinburgh. Dort war er bis 1926 in Betrieb. Der Ruhm Craig übertroffen zu haben, gebührt allerdings Robert Newall aus dem englischen Gateshead bei Newcastle. Dort wurde 1868 in einem ordentlichen Kuppelbau der neue Rekordhalter aufgestellt (Abb. 7). Das parallaktisch montierte Gerät, gebaut von Thomas Cooke & Sons in York, besitzt ein 62,5 cm-Objektiv mit 9,1 m Brennweite. Mit 9 t Masse und einer 5,8 m hohen Säule war es der klassische “battleship refractor“. Wegen der großen Luftverschmutzung und dem miserablen Wetter im Raum Newcastle gelangen leider nur wenige Beobachtungen. 1891 kam der 25-Zöller nach Cambridge und tat dort seinen Dienst bei der Beobachtung von Doppelsternen bis es in den 1950er Jahren ausgemustert wurde. Doch das war nicht das Ende des Newall-Refraktors: Er wurde dem Athener Observatorium geschenkt und steht seit 1960 in einer 14 m-Kuppel in Penteli, nordöstlich von Athen. Wegen der 14° geringeren geographischen Breite musste die Montierung angepasst werden. Seit 1995 ist das betagte Instrument ein Museumsstück, das viele Besucher anlockt. Die Briten sollten erst 1893 einen größeren Refraktor bekommen: das von Grubb gebaute Instrument in Greenwich mit 71,1 cm Öffnung (Brennweite 8,5 m). Es besitzt eine eigenwillige englische Rahmenmontierung und ist in einer zwiebelförmigen Kuppel untergebracht. Sie wurde 1944 durch eine deutsche V1 beschädigt. Danach verlegte man den 28-Zöller nach Herstmonceux; 1971 kehrte er an das alte Royal Observatory zurück und ist heute eine der Hauptattraktionen. Die Amerikaner schlagen zurück: Washington und Charlottesville Der Harvard-Refraktor von Merz & Mahler war in die Jahre gekommen und die Amerikaner wollten den Titel unbedingt zurückgewinnen. Eine Vorstufe dazu war der 1863 errichtete 47 cm-Refraktor des Dearborn Observatory in Chicago (Brennweite 8,2 m). Mit Alvan Clark hatten sie nun selbst einen hervorragenden Teleskopbauer. Seine Firma in Cambridgeport, Massachusetts, sollte den Rest des Jahrhunderts dominieren. Beim Test des 18,5-Zöllers entdeckte übrigens sein Sohn Anfang 1862 den Begleiter von Sirius. 1873 war es dann endlich soweit: Das U.S. Naval Observatory in Washington konnte den neuen Rekordhalter präsentieren: ein 65,5 cm-Clark-Refraktor mit 9,9 m Brennweite (Abb. 8). 1877 machte er Schlagzeilen als Asaph Hall die Marsmonde Phobos und Deimos entdeckte. Das hervorragende Instrument wurde hauptsächlich zur Positionsbestimmung von Planeten, Monden und Doppelsternen benutzt. Trotz des mäßigen Standorts gelangen auch eindrucksvolle Zeichnungen von Saturn. Der heute noch intakte Refraktor blieb 10 Jahre lang die Nummer 1, dann übernahm Wien die Führung. Aber nicht nur der Neid der Europäer hielt die Entwicklung in Gang, auch die inneramerikanische Konkurrenz schlief nicht. Dies führte zum Bau eines „Clark“, der den 26-Zöller des U.S. Naval Observatory um 1,3 cm übertreffen sollte. Bereits 1870 hatte der Chicagoer Industrielle Leander McCormick die Idee, den weltgrößten Refraktor aufzustellen. Die Sache geriet allerdings zu einem Alptraum. Der erste Schock kam 1873 aus Richtung Washington. Es vergingen aber noch vier Jahre bis McCormick der University of Virginia in Charlottesville Mittel für eine Sternwarte zur Verfügung stellte. Der Bau zog sich durch allerlei Probleme hin; derweil wurde 1882 ein 58 cm-Clark-Refraktor am Halsted Observatory, Princeton, installiert. Ein Jahr später platzte dann die Nachricht von der Einweihung des Wiener Refraktors herein – das Rennen war endgültig verloren. Als das Instrument schließlich im April 1885 auf dem 260 m hohen Mt. Jefferson (1,5 km vom Campus entfernt) eingeweiht wurde, war sogar noch eine zweite Sternwarte vorbeigezogen: Pulkowa. Wien, Pulkowa und Nizza – ein europäischer Dreikampf 1883 holte Wien den Titel nach Europa zurück. Standesgemäß thront seitdem der 68,6 cm-Refraktor mit seiner 14 m-Kuppel auf dem mächtigen Gebäude der Universitätssternwarte an der Türkenschanze. Der 27-Zöller mit 10,5 m Brennweite wurde von Grubb gebaut (Abb. 9). Die massive deutsche Montierung ruht auf einer 15 m hohen Betonsäule. Die Freude währte nur eineinhalb Jahre, dann gab es einen neuen Spitzenreiter. Eine interessante russisch-amerikanische Kombination führte – unter der Regie von Otto Struve – zum Erfolg: der Standort Pulkowa und die Firma Alvan Clark & Sons. Beide holten sich ihre einstigen Titel zurück. Das Ergebnis war ein imposanter 76,2 cm-Refraktor mit 13,7 m Brennweite in einem zylinderförmigen Schutzbau (Abb. 10). Die Montierung stammte von der Hamburger Firma Repsold. Der alte „Merz“ musste nun weichen und wurde (ohne Objektiv) verkauft. Das Fernrohr war später im Deutschen Museum in München aufgestellt bis es dort Ende 1944 durch alliierte Bomber zerstört wurde [6]. Noch schlimmer erging es der Sternwarte Pulkowa: Sie war 1942/43 während der deutschen Belagerung von Leningrad verwüstet worden. 1887 machte ein neuer Standort von sich reden: der 360 m hohe Mont Gros nahe Nizza. Das Observatorium war das Geschenk eines reichen Industriellen, Raphaël Bischoffsheim. Wie bereits Leander McCormick, träumte auch er vom weltgrößten Refraktor. Diesmal gelang das Vorhaben: mit 76,9 cm Öffnung wurde Pulkowa knapp geschlagen (Abb. 11). Nizza lag auch bei der Brennweite vorn. Nachdem die englische Konkurrenz in Gestalt des Craig-Teleskops mit 23,2 m Brennweite bereits 1856 aufgegeben hatte, wurden nun 17,9 m erreicht (4,2 m mehr als in Pulkowa). Doch damit nicht genug: Die von Gustave Eiffel konstruierte Kuppel übertraf mit 26 m Durchmesser und 95 t Masse alles bisher Dagewesene. Sie war nicht, wie sonst üblich, auf Rollen gelagert, sondern „schwamm“ in einer kreisförmigen Wanne. Optik und Montierung des „Lunette Bischoffsheim“ stammen von den Brüdern Henry bzw. Gautier. Mittlerweile ist das Instrument mitsamt dem neoklassizistischen Gebäude renoviert; die schwimmende Kuppel wurde auf Rollen gesetzt. Denkmäler für die Ewigkeit: Lick und Yerkes Während die Messlatte in Europa (mit amerikanischer Unterstützung) auf 76,9 cm gelegt worden war, holten die USA zum finalen Gegenschlag aus. Die entscheidende Rolle spielten dabei wiederum finanzkräftige Privatpersonen. Es kam zunehmend in Mode, sich mit einem großen Teleskop ein Denkmal zu setzen. Die Astronomie wurde Mittel zum Zweck. So stiftete James Lick, durch Grundbesitz reich geworden, fast sein gesamtes Vermögen um den weltgrößten Refraktor auf einem möglichst hohen Berg zu errichten. Nach seinem Tod im Jahr 1876 dauerte es aber noch bis 1888 ehe das ehrgeizige Projekt Realität wurde. Dann stand ein 91,4 cm-Clark-Refraktor auf dem 1283 m hohen Mt. Hamilton bei San José in Kalifornien (Abb. 12). Das Lick Observatory war die erste echte Bergsternwarte. Der 36-Zöller mit 17,4 m Brennweite ist in einer 18,3 m-Kuppel unterbracht. Die 10 m hohe Säule, welche die schwere deutsche Montierung trägt, dient zugleich als Grabstätte. An ihrem Sockel findet sich die Inschrift „Here lies the body of James Lick“. Der Standort mit seiner transparenten, ruhigen Luft und fast 300 klaren Nächten im Jahr ließ spektakuläre Ergebnisse erwarten. 1892 entdeckte Edward E. Barnard den 5. Jupitermond (Amalthea) – den ersten seit Galilei. Zusammen mit Sherbourne W. Burnham wurden Planeten, Doppelsterne und Nebel beobachtet. Leider kam es zum erbitterten Streit mit dem autoritären Direktor Edward Holden. Burnham und Barnard verließen nacheinander schweren Herzens das Lick Observatory. Sie hatten bereits ein neues Ziel: Williams Bay in Wisconsin, 140 km nordwestlich von Chicago. Kein besonders guter Standort aber offenbar der geeignete Platz für ein neues Denkmal, errichtet zu Ehren von Charles Yerkes. Der schwerreiche Transportunternehmer hatte sich in den Kopf gesetzt, Lick noch zu übertreffen. Es ist der Verdienst von George Ellery Hale, dass mit dem Geld, welches Yerkes der University of Chicago zu Verfügung stellte, ein monumentales Observatorium errichtet werden konnte. Bereits 1893 wurde das Teleskop (noch ohne Objektiv) auf der Chicagoer Weltausstellung präsentiert. Die Montierung stammt von Warner & Swasey. Das zwei Jahre später fertiggestellte Objektiv von Alvan Clark & Sons übertraf erstmals die 1 m-Marke. Die Daten des Instruments sind beeindruckend: Öffnung 102 cm, Brennweite 19,8 m, Masse der beweglichen Teile 20 t (Abb. 13). Die Kuppel hat einen Durchmesser von 26,4 m; der 37 t-Boden kann vertikal entlang der 14 m hohen Säule bewegt werden. Leider erwischte der Yerkes-Refraktor keinen guten Start: Wenige Tage nach der Einweihung im Jahr 1897 rissen die Halteseile des Kuppelbodens, der krachend in die Tiefe stürzte. Zum Glück wurde niemand verletzt. 1933 erregte der 40-Zöller erneut Aufsehen: Der helle Stern Arktur sorgte über Photozelle und Kabelverbindung für die Eröffnung der Weltausstellung in Chicago – dort ging prompt die Festbeleuchtung an. Der monströse Yerkes-Refraktor war bereits zur Jahrhundertwende ein Auslaufmodell. Sowohl seine Konstruktion als auch der Standort mit nur 334 m Höhe waren nicht mehr zeitgemäß. Die neue Astrophysik verlangte nach lichtstarken Reflektoren auf hohen Bergen – und Hale lieferte sie. Er schuf nacheinander das Mt. Wilson Observatory mit einem 2,5 m-Spiegel (finanziert von John Hooker und seit 1917 aktiv) und das Mt. Palomar Observatory mit dem legendären 5 m-Reflektor, der seinen Namen trägt und 1948 in Betrieb ging. Die Grenzen des Doppelrefraktors: Meudon und Potsdam Für Bergsteiger gilt: Wenn alle Achttausender bestiegen sind, muss man sich raffinierte Ziele setzen. Für das Thema „großer Refraktor“ bedeutete dies, mit besonderen Konstruktionen neue Bestmarken zu setzen. Hier ist vor allem der Doppelrefraktor zu nennen, bestehend aus visuell bzw. fotografisch korrigierten Objektiven mit unterschiedlichen Öffnungen aber ähnlichen Brennweiten. Der visuelle Teil dient dabei als Leitrohr. 1891 schufen die Brüder Henry (zusammen mit Gautier) in dieser Gattung das Maß der Dinge: das Teleskop in Meudon (Abb. 14). Die Objektive haben Durchmesser von 83 cm (visuell) bzw. 62 cm (fotografisch); die Brennweiten betragen 16,2 m bzw. 15,9 m. Die zusammengefügten, quadratischen Tuben werden von einer deutschen Montierung getragen. Die Kuppel von Europas größtem Refraktor hat einen Durchmesser von 18,5 m. 1899 ging ein vergleichbarer Doppelrefraktor am neuen Astrophysikalischen Observatorium Potsdam in Betrieb. Kaiser Wilhelm II. kam persönlich zur Einweihung. Die Daten sind beeindruckend: Objektivdurchmesser 80 cm (fotografisch) bzw. 50 cm (visuell) bei jeweils 12,2 m Brennweite (Abb. 15). Die Optik wurde von Steinheil gefertigt, die deutsche Montierung von Repsold. Der seit 2005 vollständig renovierte „Große Refraktor“ ist in einer 21 m-Kuppel unterbracht. Leider erfüllte das dunkelgrün lackierte Monstrum nicht die Erwartungen der Astrophysiker. Mehrfach mussten beide Objektive nachgeschliffen werden. Ein weiteres Problem war der Standort auf dem nur 96 m hohen Telegraphenberg. Licht- und Luftverschmutzung vereitelten regelmäßige Beobachtungen. Mit den gleichen Problemen hatte natürlich auch Meudon zu kämpfen, nur 10 km südwestlich von Paris auf 165 Höhe gelegen. Der Potsdamer Refraktor ist das größte deutsche Linsenfernrohr. Zwischen ihm und dem Rekordhalter von 1835, dem 28,5 cm-Merz-Refraktor in München-Bogenhausen, liegen allerdings Welten. Dieser wurde in Deutschland interessanterweise erst 1870 übertroffen, als in Bothkamp bei Kiel ein von Hugo Schröder gebautes Teleskop mit 29,3 cm Öffnung in Betrieb ging. Dann folgten 1878 Potsdam (Schröder, 29,8 cm), 1879 Dresden (Grubb, 30,6 cm) und 1880 der 48,7 cm-Merz-Refraktor der Universitätssternwarte Straßburg (gegründet von Kaiser Wilhelm I.) in einer 11 m-Kuppel. 17 Jahre später ging der heimische Titel an das Treptower „Kanonenrohr“ mit 21 m Brennweite (Abb. 16). Der kuppellose Refraktor mit einer Öffnung von 68 cm war die Hauptattraktion der Berliner Gewerbeausstellung von 1897. Das von Steinheil und Hoppe gebaute 160 t-Gerät ist heute Teil der Archenhold-Sternwarte. Der Pariser Horizontalrefraktor und die Nachzügler des 20. Jahrhunderts Auch die Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 wollte – zum Ruhme der „Grande Nation“ – etwas Besonderes bieten: ein Linsenfernrohr, das alle anderen übertreffen sollte [7]. Angesichts des schlechten Standorts ein kühner Plan. Das Ergebnis war eine (zugegeben riesige) Eintagsfliege ohne wissenschaftlichen Nutzen (Abb. 17). Das Objektiv hatte 1,25 m Durchmesser und 1,8 t Masse. Beim parallaktisch montierten Yerkes-Refraktor war die gewichtsbedingte Deformation des Objektivs (verbunden mit einer Verschlechterung der optischen Eigenschaften) bereits nachweisbar. Daher entschied man sich in Paris für einen Nord-Süd orientierten Horizontalrefraktor von Mantois und Gautier – angesichts der Brennweite von „astronomischen“ 57 Metern blieb auch keine andere Wahl! Als “Kuppel“ diente eine Halle, die den 60 m-Eisentubus aufnahm. Der Coeleostat besaß einen 2 m-Planspiegel von Foucault. Selbst der Okularauszug war überdimensional; er musste auf Schienen bewegt werden. Beobachtungen waren schwierig und entsprechend selten (selbst bei der Minimalvergrößerung von 500fach betrug das Gesichtsfeld nur 3 Bogenminuten). Die Projektion des Mars auf eine 20 m x 20 m große Leinwand erwies sich als Fehlschlag. Nach Ende der Ausstellung fand das Riesenteleskop keinen Käufer und wurde demontiert; Objektiv und Planspiegel kamen in die Pariser Sternwarte. Seitdem ist der Yerkes-Refraktor wieder die Nummer 1. Obwohl weltweit Reflektoren die Oberhand gewannen, wurden auch im 20. Jahrhundert vereinzelt große Linsenfernrohre gebaut. 1912 bekam die neue Sternwarte Hamburg-Bergedorf einen 60 cm-Refraktor von Steinheil/Repsold. Nach seiner Renovierung strahlt das 10 m lange Gerät heute wieder im alten Glanz. 1914 wurde am Allegheny Observatory in Pittsburgh der von John Brashear gefertigte Thaw-Refraktor aufgestellt (finanziert vom Industriellen William Thaw). Er hat 76,2 cm Öffnung (identisch mit Pulkowa) und 14,4 m Brennweite und dient heute noch der Astrometrie. Die letzten großen (klassischen) Refraktoren gingen übrigens 1972 in Betrieb; sie stehen am Hida Observatory in Japan und auf dem Llano del Hato in Venezuela. Es sind Standardgeräte von Zeiss mit 65 cm Öffnung und 10,5 m Brennweite (weitere befinden sich z.B. in Postdam-Babelsberg und am neuen Pulkowa Observatorium). Das Besondere am venezolanischen Refraktor: mit 3600 m Höhe ist er der weltweit höchstgelegene. Ein trauriges Schicksal hatte das von Grubb gebaute Yale-Columbia-Telescope (Öffnung 66 cm, Brennweite 10,6 m). 1925 in Johannisburg aufgestellt, kam das Instrument 1952 zum australischen Mt. Stromlo Observatory. Am 18. Januar 2003 wurde es (mit fünf weiteren) durch ein Buschfeuer zerstört. Um ein Haar wäre der Yerkes-Refraktor im Jahr 1928 übertroffen worden. Russland hatte bei der Firma Grubb einen 41-Zöller für die Pulkowa-Außenstelle in Simeis (Krim) bestellt. Nachdem bereits Montierung und Kuppel fertigstellt waren (mittlerweile vom Nachfolger Grubb-Parsons), wiesen die Russen die beiden Glasrohlinge mit je 105 cm Durchmesser als mangelhaft zurück. Das Projekt wurde gestoppt und Williams Bay behielt seinen Titel. 2002 bekam der Yerkes-Refraktor auf seine alten Tage aber noch einmal unerwartet Konkurrenz – in Gestalt des Swedish Solar Telescope (SST) auf dem über 2400 m hohen Roque de los Muchachos der Kanareninsel La Palma (Abb. 18). Die (Einzel-)Linse ist mit 107 cm Durchmesser sogar größer; die genutzte Öffnung beträgt aber „nur“ 97 cm – immerhin mehr als beim Lick-Refraktor. Sie ist vor dem Primärspiegel des Heliostaten angebracht. Optisch ist das SST ein vertikales Schupmann-System mit 20,6 m Brennweite. Von einer Renaissance des Refraktors kann aber keine Rede sein. Die Zukunft gehört den azimutalen Reflektoren – was sind schon 1 Meter Öffnung gegen 42, wie beim geplanten European Extremely Large Telescope, das 2018 in Betrieb gehen soll. Jedes seiner 906 Spiegelsegmente übertrifft mit 1,4 m Durchmesser die Linse der Pariser Weltausstellung! Die Jagd nach Rekorden geht also weiter. Trotz dieser Gigantomanie, haben die verbliebenen großen Refraktoren nichts von ihrer Faszination verloren (etwa 40 haben Öffnungen von 50 cm und mehr, sieben davon übertreffen die 70 cm-Marke). Der Besucher steht vor eindrucksvollen Relikten einer bedeutenden Epoche der Astronomie. Reisen Sie nach Potsdam, Treptow, Wien, Meudon, Nizza oder zum Lick und Yerkes Observatory und überzeugen Sie sich selbst! Danksagung Die Autoren bedanken sich bei Bernd Brinkmann und Rainer Sparenberg für die zur Verfügung gestellten Abbildungen der Doppelrefraktoren in Paris/Meudon und Potsdam/Telegraphenberg. Ein herzlicher Dank geht auch an die Institutsleitungen für die gewährten Observatoriumsbesuche. Besonders freundlich wurden wir in Wien, Univ.-Prof. Dr. Werner Zeilinger; Potsdam, Madleen Köppen und Prof. Dr. Klaus G. Strassmeier und am Lick Observatory von Dr. Tony Misch empfangen. Die erlebten Führungen und die entgegengebrachte Geduld bei der Erstellung der Fotos waren sagenhaft! Autoren: Wolfgang Steinicke (Fachgruppenkoordinator Geschichte der Astronomie), Stefan Binnewies Literatur: [1] Binnewies, S., Steinicke, W., Moser, J.: Sternwarten – 95 astronomische Observatorien in aller Welt. Oculum-Verlag, Erlangen 2008. [2] King, H.: The History of the Telescope. Dover Publications, New York 1979. [3] Riekher, R.: Fernrohre und ihre Meister. VEB Verlag Technik, Leipzig 1957. [4] Müürsepp, P.: Die alte Sternwarte Tartu. Sterne und Weltraum 6/1966, S. 129-131. [5] Steinicke, W.: Nebel und Sternhaufen. Geschichte ihrer Entdeckung, Beobachtung und Katalogisierung – von Herschel bis zu Dreyers „New General Catalogue“. Books on Demand, Norderstedt 2009; siehe auch: www.klima-luft.de/steinicke. [6] Hartl, G.: Der Refraktor der Sternwarte Pulkowa. Sterne und Weltraum 7-8/1987, S. 397-404. [7] Oberndorfer, H.: Ein Fernrohr-Unikum. Sterne und Weltraum 12/1978, S. 403-404.
Abb. 1: Der von Joseph v. Fraunhofer gebaute Dorpat-Refraktor ist heute ein Museumsstück.
Abb. 2a: Drei Gesichter des Markree-Refraktors: auf der hölzernen Herschel-Montierung

Abb. 2b: Der Markree-Refraktor parallaktisch montiert mit voluminösem Steinsockel
Abb. 2c: Der Markree-Refraktor in neuem Gewand in Honkong
Abb. 3: Der 38 cm-Merz-Refraktor in Pulkowa.

Abb. 4: Das Duplikat des Pulkowa-Refraktors am Harvard College Observatory.
Abb. 5: John Craigs monströses „Turmteleskop“ von 1852. Leider war das 61 cm-Objektiv falsch korrigiert.
Abb. 6: Der freistehende 21-Zoll-Refraktor von James Buckingham.

Abb. 7: Wie ein Teil eines Schlachtschiffs: der 25-Zoll-Refraktor von Robert Newall in Gateshead.

Abb. 8: Der 26-Zoll-Clark-Refraktor des U.S. Naval Observatory in Washington.
Abb. 9: Der 27-Zoll-Grubb-Refraktor der Wiener Universitätssternwarte.

Abb. 10: Leider im 2. Weltkrieg zerstört: der große Refraktor in Pulkowa mit seiner zylinderförmigen Kuppel.
Abb. 11: Ein schlanker Riese: der 76,9 cm-Refraktor der Sternwarte Nizza.
Abb. 12: Der 36-Zoll-Clark-Refraktor des Lick Observatory auf dem Mt. Hamilton.
Abb. 13: Nach wie vor der Rekordhalter: der Yerkes-Refraktor mit 1,02 m Öffnung.

Abb. 14: Der größte Doppelrefraktor steht in Meudon bei Paris. Die beiden Teleskope sind übereinander in einem kastenförmigen Tubus untergebracht.

Abb. 15: Die deutsche Antwort auf Meudon: der „Große Refraktor“ in Potsdam.
Abb. 16: Mit 21 cm Brennweite immer noch der längste Refraktor der Welt: das „Kanonenrohr“ von Berlin-Treptow.

Abb. 17: Nur für eine Weltausstellung: der Pariser Horizontalrefraktor mit 1,25 m Öffnung.

Abb. 18: Das zweitgrößte Linsenfernrohr der Welt: das 20 m hohe Swedish Solar Telescope auf La Palma.

Die wichtigsten Refraktoren, geordnet nach dem Jahr der Inbetriebnahme
Tabellarische Übersicht

Standort Sternwarte/Instrument Land Jahr Konstruktion Durchm. D in Zentimeter: Brennw. f in Meter f/D Höhe in Meter
Dorpat Sternwarte Dorpart EST 1824* Fraunhofer 24,4 4,1 16,8 67
Markree Castle Privatsternwarte Cooper IRL 1831* Cauchoix/Grubb 35,5 7,6 21,5 45
Berlin Berliner Sternwarte D 1835 Merz 24,4 4,3 17,6 47
München Sternwarte Bogenhausen D 1835 Merz 28,5 4,9 17,2 500
St. Petersburg Sternwarte Pulkowo RUS 1839* Merz&Mahler 38 6,9 18,2 75
Cincinnati University Observatory USA 1845 Merz&Mahler 30,5 5,3 17,4 247
Cambridge Harvard College Obs. USA 1847* Merz&Söhne 38,1 6,8 17,9 24
Wandsworth Craig-Refraktor UK 1852* Chance/Gravatt 61,0 23,2 38 10
Paris Porro-Refraktor F 1856 Porro 52,0 15,0 28,8 60
Walworth Buckingham-Refraktor UK 1862 Buckingham/Wary 54,0 8,7 16,1 10
Chicago Dearborn Observatory USA 1863 Clark 47,0 8,2 17,4 175
Dunsink South Eqautorial IRL 1868 Cauchoix/Grubb 29,8 5,8 19,5 91
Gateshead Privatsternwarte Newall UK 1868* Cooke 62,5 9,1 14,6 20
Bothkamp Privatsternwarte v. Bülow D 1870 Schröder 29,3 4,9 16,7 32
Washington U.S.Navel Oberservatory USA 1873* Clark 65,5 9,9 15,1 38
Potsdam Astrophyskalisches Obs. D 1878 Schröder 29,8 5,2 17,4 100
Dresden Privatsternwarte v. Engehardt D 1879 Grubb 30,6 3,9 12,6 124
Straßburg Universitätssternwarte D (F) 1880 Merz&Söhne / Repsold 48,7 6,9 14,2 144
Princeton Halsted Observatory USA 1882 Clark 58,0 9,8 16,9 75
Wien Universitätssternwarte A 1883* Grubb 68,6 10,5 15,3 240
St. Petersburg Sternwarte Pulkowo RUS 1884* Clark / Repsold 66,8 9,9 14,9 259
Charlottesville Leander McCormick Obs. USA 1885 Clark 66,8 9,9 14,9 259
Nizza (Mont Gros) Sternwarte Bischoffsheim F 1887* Henry / Gautier 76,9 17,9 23,3 376
Mt. Hamilton Lick Obseratory USA 1888* Clark 91,4 17,4 19,0 1.283
Meudon Observatoire de Paris-Meudon F 1891 Henry / Gautier 83,0 16,2 19,5 162
Greenwich Royal Observatory UK 1893 Grubb 71,1 8,5 12,0 47
Berlin-Treptow Archenhold-Sternwarte D 1896 Steinheil / Hoppe 68,0 21,0 30,9 41
William Bay Yerkes Observatory USA 1897* Clark / Warner & Swasey 102,0 19,4 19 334
Potsdam Astrophysikalisches Obs. D 1899 Steinheil / Repsold 80,0 12,2 15,3 95
Paris Teleskop der Weltausstellung F 1900* Mantois / Gautier 125,0 57,0 45,6 65
Hamburg Sternwarte Bergedorf D 1912 Steinheil / Repsold 60,0 9,0 15,0 50
Pittburgh Allegheny Obervatory USA 1914 Brashear 76,2 14,4 18,9 370
Potsdam Sternwarte Babelsberg D 1915 Zeiss 65,0 10,1 15,5 35
Johannesburg Yale Observatory SA 1925 Grubb 66,0 10,6 16,1 1.760
Llano del Hato Obs. Astonòmico Nacional VEN 1972 Zeiss 65,0 10,5 16,2 3.600
Hida Hida Observatory J 1972 Zeiss 65,0 10,5 16,2 1.275
La Palma Swedish Solar Teleskoce (SST) S (SP) 2002 Svneka Bearing 97,0 20,6 21,2 2.400
* bedeutet neuer Öffnungrekord
Autoren: Wolfgang Steinicke (Fachgruppenkoordinator Geschichte der Astronomie) Stefan Binnewies

Neues aus der Fraunhofer-Glashütte – Fraunhofers Werkstatt ist nach Benediktbeuern zurückgekehrt
Die historische Fraunhofer-Glashütte im oberbayrischen Kloster Benediktbeuern bietet in einem neu gestalteten Ausstellungsraum Einblick in Fraunhofers Werkstatt und den optischen Instrumentenbau der damaligen Zeit.

Die Erfolgsgeschichte des genialen Optikers, Instrumentenbauers und Wissenschaftlers Joseph von Fraunhofer (1787 – 1826) begann ziemlich genau vor 200 Jahren. Nachdem er 1806 in das Mathematisch-mechanische Institut von Reichenbach, Utzschneider und Liebherr in München eingetreten war, durchlief er in nur drei Jahren eine beispiellose Karriere. Im Jahr 1809 konnte er bereits die Alleinverantwortung für die Glasverarbeitung in dem ehemaligen Kloster Benediktbeuern übernehmen.

Fernrohre aus Benediktbeuern
Dort hatte der Unternehmer Joseph von Utzschneider in den Jahren 1805/06 zusammen mit seinen Partnern Reichenbach und Liebherr das „Optische Institut“ als Zweigstelle des Münchner Instituts gegründet, wo er den Bau von hochwertigen optischen Instrumenten beabsichtigte. Dazu zählten vor allem Fernrohre, aber auch Vermessungsinstrumente für die aktuell werdende Landvermessung und Mikroskope.
Fraunhofer bewohnte ab dem Jahr 1809 das Obergeschoss des heute so genannten „Fürstentrakts“ im ehemaligen Kloster. Eine dort im Jahr 1841 unter König Ludwig I. von Bayern angebrachte Gedenktafel erinnert daran mit den Worten: „Hier arbeitete Joseph von Fraunhofer – Erfinder des wellenfreien Flintglases – in den Jahren 1809 bis 1819“.
Das „wellenfreie“ Glas war Voraussetzung für die hohe optische Qualität der in Benediktbeuern gefertigten Instrumente. Heute würde man von „schlierenfreiem“ Glas sprechen, dessen Homogenität durch ein spezielles, von dem Schweizer Pierre Louis Guinand (1748 – 1824) entwickeltes Schmelzverfahren erreicht wurde. Die entscheidende technische Neuerung bestand darin, durch ein in die Glasschmelze eintauchendes Rührwerk diese beständig umzurühren und zu durchmischen. Fraunhofer verbesserte das Schmelzverfahren und übernahm ab dem Jahr 1811 auch die Leitung der Glashütte [1]. Diese war in der damals so bezeichneten „Hafen Werkstatt“ untergebracht, die heute dem Besucher in der Südost-Ecke des Klosterareals als „Historische Fraunhofer-Glashütte“ offen steht (Abb. 1). Für die Gewinnung von Kron- bzw. Flintglas standen in dem rustikal anmutenden Zweckbau zwei große Schmelzöfen zur Verfügung, wo in einem Arbeitsgang jeweils etwa 200 Kilogramm Rohmaterial verarbeitet werden konnten (Abb. 2). Als Utzschneider im Jahr 1818 die Klosteranlage an den bayrischen Kö nig verkaufte und das Optische Institut nach München verlegte, blieb die Glashütte weiterhin in Benediktbeuern bestehen und lieferte die Gläser für die großen astronomischen Fernrohre, mit denen Fraunhofer Weltruhm erlangte. Auch nach Fraunhofers allzu frühem Tod im Jahr 1826 bezogen seine Nachfolger Georg Merz (1793 – 1867), Joseph Mahler (1795 – 1845) und Sigmund Merz (1824 – 1908) das Glas für die Objektive ihrer international anerkannten und geschätzten Refraktoren aus Benediktbeuern. Erst 1889 wurde der Betrieb in der Glashütte offiziell eingestellt [2]. Es ist auch dem Einsatz der Fraunhofer-Gesellschaft in München zu verdanken, dass die historische Glashütte schon bisher für das allgemeine Publikum geöffnet war.

Von der Glasschmelze zum fertigen Instrument
Vor Kurzem nun hat die Glashütte in musealer Hinsicht eine Erweiterung erfahren, die es erlaubt, in dem historisch gewachsenen Ambiente eine Ausstellung über Fraunhofers Arbeitsumfeld mit den entsprechenden Werkzeugen, Instrumenten und Hilfsgeräten präsentieren zu können [3]. Fraunhofer standen ja im ehemaligen Kloster verschiedene Räume zur Verfügung, in denen er optische Versuche zu Studienzwecken durchführte oder die ihm als Werkstatträume für die Herstellung von optischen oder mechanischen Komponenten dienten. Beispielsweise befand sich ehemals die Glasschleiferei in dem an die Glashütte unmittelbar anschließenden alten „Waschhaus“ – heute Gästehaus des Salesianer-Klosters -, zu dem man jetzt einen Mauerdurchbruch geöffnet hat, der direkt zum neuen Ausstellungsraum führt.
Dank der Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft, dem Entgegenkommen der Klosterführung und der Spendenbereitschaft einiger Sponsoren entstand damit eine Ausstellung, die praktisch alle thematischen Bereiche des damaligen Instrumentenbaus umfasst. Die Exponate stammen aus den Archiven des Deutschen Museums und des Münchner Stadtmuseums, das noch bis vor einigen Jahren im Rahmen seines Foto- und Filmmuseums die Werkstatt Fraunhofers selbst ausgestellt hatte.
Von den mächtigen Schmelzöfen der Glashütte her kommend betritt der Besucher jetzt eine nach drei Seiten hin verglaste Kanzel mit Blick in den Museumsraum. Die Ausstellungsobjekte umfassen Maschinen und Geräte zur Glas- und Metallbearbeitung, optische und mechanische Bauteile, aber auch Rohglasproben und optische Instrumente (Abb. 3). Die Glasbearbeitung erfolgte auf einer Schleif- und Poliermaschine, wo auch noch verschiedene olierschälchen zu sehen sind (Abb. 4). Dazu werden diverse Hilfsgeräte wie Messfühler, Sphärometer, Fühlhebel oder Messmikroskop gezeigt. Der Arbeitsvorgang lässt sich über die ausgestellten Linsenrohlinge und Schliffproben bis hin zu den fertigen Linsen und Prismen nachvollziehen.
Optische Qualitätsinstrumente müssen in der Regel auch hohe Anforderungen in puncto mechanischer Ausstattung erfüllen, was jeder Amateurastronom im Hinblick auf die Stabilität und Präzision seiner eigenen Fernrohrmontierung bestätigen wird. Deshalb hatte in Fraunhofers Werkstatt auch die Metallbearbeitung einen hohen Stellenwert. Beispielhaft steht dafür eine originale Fräsmaschine, auf der Zahnräder hergestellt wurden (Abb. 5).
Die neue Ausstellung kann als eine gelungene Erweiterung des bisherigen Glashüttenmuseums verstanden werden, sind doch nun die historischen Exponate aus den beiden Gebermuseen an den Ort ihrer Verwendung oder Entstehung zurückgekehrt. Damit erschließt sich dem Betrachter ein durchgängiger Kontext des damaligen Instrumentenbaus, der vom Rohglasbrocken bis zum fertigen Fernrohr reicht.

Autor: Volker Witt

Adresse:
Historische Fraunhofer-Glashütte,
Fraunhoferstr.1, 83671 Benediktbeuern.
Öffnungszeit: täglich 9:00 bis 16:00 Uhr,
freier Eintritt.

Literaturhinweise:
[1] V. Witt, 2001: „Die historische Fraunhofer-Glashütte in Benediktbeuern“, Sterne und Weltraum 9/2001, 794
[2] K. Ventzke, 2004: „Fraunhofers Nachfolger im Optischen Institut zu München“, in: Beiträge zur Astronomiegeschichte 7, 170, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main
[3] Fraunhofer-Gesellschaft (Hrsg.), 2008: „Fraunhofer in Benediktbeuern, Glashütte und Werkstatt“, München

Abb. 1: Aus der Glashütte in Benediktbeuern bezogen Fraunhofer und seine Nachfolger am Optischen Institut in München die hochwertigen Gläser, mit denen sie ihre weltweit anerkannten Instrumente ausstatteten. Eine neu konzipierte Ausstellung gibt Einblick in Fraunhofers Werkstatt.
Abb. 2: In der Glashütte wurden zwei große Schmelzöfen betrieben, je einer für Kron- bzw. Flintglas. Die gute Homogenität des Glases wurde durch beständiges Rühren der Schmelze mittels eines mechanischen Rührwerks erreicht.
Abb. 3: Die neue Ausstellung zeigt auch einen Querschnitt durch die Vielfalt der in Benediktbeuern gebauten Instrumente wie Fernrohre, Theodolite und Mikroskope.
Abb. 4: Auf der Schleifbank wurden die Rohlinsen geschliffen und anschließend mittels der Polierschälchen poliert. Die abgebildete Glasschleifmaschine stammt original aus Fraunhofers Werkstatt.
Abb. 5: Optische Präzisionsinstrumente erfordern auch eine hohe mechanische Präzision. Daher war die Metallbearbeitung – hier repräsentiert durch eine originale Zahnradfräsmaschine – ein wichtiges Teilgebiet des Instrumentenbaus. Im Vordergrund sind zwei Theodolite aus der Fraunhoferschen Fertigung zu sehen.

Die Entstehungsgeschichte des Faltrefraktors
Ein Faltrefraktor ist eine Sonderform des Linsenfernrohrs. In den 1960er- und 1980er-Jahren haben die Verfasser diese Teleskope selbst gebaut und viele Jahre damit beobachtet. Außer dem klassischen C8 (200-mm-Schmidt-Cassegrain) von Celestron gab es seinerzeit kaum größere, bezahlbare Teleskope am Markt.

Die Zahl der Anbieter hielt sich in Grenzen und das Massengeschäft im globalisierten Markt war noch nicht etabliert. Aus dieser Situation heraus entstand sicherlich der Faltrefraktor. Die Güte eines einfachen, relativ kostengünstigen zweilinsigen Objektivs verlangte nach großen Öffnungszahlen, um die chromatische Aberration in Grenzen zu halten. Dadurch wurden die Teleskope bei größeren Öffnungen sehr lang. Der extremste Fall, in dem dieser Sachverhalt deutlich wurde, ist das Luftfernrohr von Hevel, das bei einer Länge von 45 m an einem Mast aus dem Schiffsbau aufgehängt war [1].

Ein größerer Amateurrefraktor mit 150 mm Öffnung und einem Öffnungsverhältnis von 1:15 hat in der gestreckten Form eine Länge von ca. 2,3 m. Die Länge des Teleskops bedingt eine hohe Säule, die wiederum schwingungsempfindlicher ist. Außerdem ist der Okularauszug nicht immer einfach zu erreichen.

Der Strahlengang des Faltrefraktors wird meist über einen oder zwei Planspiegel umgelenkt. Das Teleskop wird quasi gefaltet. Die diversen Faltvarianten werden dabei oft nach ihren Konstrukteuren oder nach dem äußeren Erscheinungsbild des Teleskops benannt. So erinnert der Fagott-Refraktor (einfache Faltung) an die geknickte Bauweise des gleichnamigen Musikinstrumentes und der Newton-Refraktor (zweifache Faltung) wegen seines Okulareinblicks an das Spiegelteleskop nach Newton.

Ein Refraktor ist besonders gut für die Objekte unseres Sonnensystems und Doppelsterne geeignet, weil der Strahlengang nicht wie beim Spiegelteleskop durch einen obstruierenden Umlenkspiegel gestört wird. Die Faltrefraktoren erhalten somit die Vorteile der guten Abbildung und eliminieren die Nachteile der großen Baulänge. Verschiedene zweifach gefaltete Refraktoren sind u. a. die von E. Schaer, Ainslie und G. Nemec, wobei zwischen den beiden zuletzt genannten kleinere Modifikationen in der Strahlenführung die schnelle Typenbestimmung oftmals erschweren. So führte Ainslie den Strahlengang seiner Newton-Variante nach der zweiten Spiegelung an dem einfallenden Strahlengang seitlich vorbei. Vorteilhaft ist diese Strahlenführung vielleicht bei der Sonnenbeobachtung, da der warme Strahl seitlich vorbeigeführt wird. Bei den Nemec-Refraktoren kreuzen sich die Strahlenkegel, weil der zweite Spiegel den Strahl im Winkel von ca. 90 Grad in Objektivnähe durch den Tubus lenkt. Da bei könnte es theoretisch zu thermischen Bildstörungen kommen, die jedoch W. Sorgenfrey bei seinem Instrument nicht zuverlässig nachweisen konnte. Diese beiden Newton-Varianten werden hier nunmehr als Ainslie- oder als NemecRefraktor bezeichnet. Der dänische Tierarzt Dr. Per Darnell mit seinem „Ainslie“ war allerdings aufgrund seiner Bekanntschaft mit W. Sorgenfrey unbewusst der Wegbereiter für eine Verbreitung der hier besprochenen Bautypen in Deutschland. Jan Fremereys Faltrefraktoren entstanden in Anlehnung an H. E. Paul (USA), doch er wählte im Gegensatz dazu eine offene Bauweise und reduzierte dadurch Gewicht und die Dauer der Temperaturanpassung. Bei weiteren Faltkonstruktionen, bei denen der Fernrohrfokus ortsfest in die Montierung gelegt ist, handelt es sich um Spezialkonstruktionen, die bei Amateurastronomen sehr selten vorkommen. Okularzenitprismen oder –spiegel gehen bei der Klassifizierung dieser Bauweisen nicht mit ein, sondern sind Zubehörteile für alle Fernrohrtypen.

Der Schweizer Optiker und Astronom Emile Schaer (1862-1931) aus Genf hat mehrere Schaer-Refraktoren gebaut. Mit einem dieser Teleskope von 25 cm Öffnung beobachtete er 1931 am NicolausCopernicus-Observatorium in Warschau. 1966 erschien zur VdS-Tagung in München eine Bauanleitung von Wolfgang Sorgenfrey, die in dem Buch Refraktor Selbstbau von G. D. Roth, (Kapitel: „Bau eines 150 mm/3.000 mm-Schaer-Refraktors“) veröffentlicht wurde. Dieses Buch und die Absprachen von G. Nemec mit D. Lichtenknecker (Lichtenknecker Optics A. G., Hasselt, Belgien), welcher die entsprechenden Optiksets in die Produktion aufnahm, haben deutlich zur Verbreitung dieses Teleskoptyps beigetragen [2]. Vom Fagott-Refraktor in seiner vermutlichen Urform existiert ein Aufsatz in der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ 7/1964. Er besitzt wie oben erwähnt nur einen Planspiegel zur Umlenkung und ist dadurch am preiswertesten. Um einen bequemeren Einblick zu erhalten, sollte man mit einem zusätzlichen Zenitprisma/-spiegel beobachten.

Nemec, Sorgenfrey, Treutner und Unkel wurden in den 1960er- bis Ende der 1970er-Jahre durch damals hochwertige Astrofotos mit ihren Faltrefraktoren bekannt, bei dem der zweite Spiegel im
Gegensatz zum Fagott-Refraktor so eingebaut war, dass der Strahlenkegel in der Nähe des Objektivs wie bei einem Newton seitlich aus dem Tubus austritt. Die Astrofoto-Legende Günther Nemec aus
München mit dem nunmehr schon historischen FH 200 mm/4.000 mm-„Nemec“- Refraktor (Lichtenknecker-Optik) war damals mit seinen Fotos weltweit unschlagbar. Dieser Bekanntheitsgrad führte dazu, dass sich vielerorts die treffendere Bezeichnung „Nemec-Refraktor“ durchsetzte. Neuere Bildbeispiele vom Mond zeigt W. Sorgenfrey auf seiner Homepage [3], die er mit seinem 150 mm/
3.000 mm-Faltrefraktor gewonnen hat.

Faltrefraktoren werden heute im Wesentlichen als Selbstbaugeräte von Amateurastronomen und einigen Volkssternwarten eingesetzt. Die Fa. Wachter bot in den 1970er- und 1980er-Jahren einen
Schaer-Refraktor aus industrieller Serienfertigung an. Es handelte sich um einen FH 75 mm/1.200 mm des japanischen Herstellers Unitron (siehe SuW 7/1978). Es folgten eigene Konstruktionen
bis 230 mm Öffnung. W. Paech konstruierte und fertigte einige Schaer-Refraktoren mit Lichtenknecker-Optik, wobei eine kleine Stückzahl der 20-cm Variante an die Firma Baader Planetarium ging [6]. Im deutschsprachigen Raum sind bis heute ca. 30 Teleskope dieser Art im Gebrauch. Aber auch in den USA und Japan sind einige Geräte von Amateurastronomen gebaut worden, wie eine Internetrecherche in den Jahren 2010 bis 2012 ergab.

Resümee
Die Autoren erfreuen sich immer wieder an der soliden Qualität ihrer langbrennweitigen FH-Optiken aus vergangenen Zeiten – wohlwissend, dass die meisten Amateurastronomen größere Instrumente bevorzugen und damit ihrerseits tiefer in den Kosmos blicken können. Die auf meist 15 bis 20 cm beschränkte Objektivgröße eines Fraunhofers ist natürlich nicht spektakulär, passt sich aber recht
gut unseren meist schlechteren Seeingbedingungen an als die größeren Optiken. Der Anblick eines Doppelsterns ist genussvoll wie im Lehrbuch. Sonne, Mond und Planeten sind visuell beim Öffnungsverhältnis von 1:20 nahezu farbrein. Lediglich Astrofotografen haben gewisse Einschränkungen. Hier schlägt bei besonders hellen Objekten das sekundäre Spektrum etwas durch und verlangt den Einsatz von schwachen Korrekturfiltern. Schwarzweißaufnahmen fallen dann am besten aus (Sonne und Mond). Planeten in Farbe, vor allem Jupiter, haben eine andere Farbwiedergabe als gewohnt und sind auch bei der Bildbearbeitung kaum richtig korrigierbar. Zu Zeiten, als Altmeister Günther Nemec fotografierte, war Farbe aber noch kein Thema. Für diese Aufgaben verwendet man heute also vorwiegend Spiegeloptiken.

Autoren: Wolfgang Sorgenfrey u. Hubert Hermelingmeier

Literaturhinweise und Web-Links:
[1] R. Riekher, 1990: „Fernrohre und ihre Meister“, VEB Verlag Technik Berlin, 2. Auflage
[2] www.privatsternwarte.net => Tipps => Literaturtipps
[3] www.sorgenfreyfotografien.de/Mond/
[4] W. Paech, Th. Baader, 1998: „Tipps und Tricks für Sternfreunde“, Verlag Sterne und Weltraum
[5] www.astrotech-hannover.de/amateurteleskope/downloads/wachter.pdf
[6] G. D. Roth, 1998: „Planeten beobachten“, Verlag Sterne und Weltraum
[7] G. D. Roth, 1981: „Handbuch der Sternfreunde“, Springer Verlag, 3. Auflage

Abb. 1: Sorgenfrey-Nemec-Refraktor FH-150 mm/3.000 mm; umgebautes Nachfolge-Instrument seines ursprünglichen Schaer-Refraktors mit Lichtenknecker-Optik (Foto: W. Sorgenfrey)
Abb. 2: Dr. Per Darnell (Kopenhagen) mit seinem Eigenbau-Ainslie-Faltrefraktor, vermutlich FH-150mm/2.250 mm (Foto: W. Sorgenfrey)
Abb. 3: Günter Nemec an seinem legendären FH-Faltrefraktor 200 mm/4.000 mm mit Lichtenknecker-Optik (Foto: H. Bernhard)
Abb. 4: Der Fagott-Faltrefraktor 150 mm/3.000 mm von Jan Fremerey in offener Bauweise mit D&G-Optik (Foto: J. Fremerey)
Abb. 5: Schaer-Refraktor 150 mm/2.300 mm, gebaut von Hubert Hermelingmeier; das Teleskop ist seit 1985 das Hauptinstrument in seiner Privatsternwarte (Foto: H. Hermelingmeier)

Dokumentation: Faltrefraktoren – Die anderen Linsenteleskope
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Historische Amateurteleskope
Das Geräteangebot für den Sternfreund und Amateurastronom hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. In den 1960er bis 1980er Jahre gab es ohne Internet und Onlineshop ein vergleichsweise geringes Angebot, was zudem auch nicht für jedermann zugänglich war.
Der folgende Link führt zu einer Katalogsammlung von historischen Amateurteleskopen. Die Sammlung vermittelt  einen Überblick und das damalige Angebot.

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Legendäre Amateurteleskope, Montierungen und Zubehör
Materialsammlung von Amateurteleskopen der 60er bis 80er Jahre des 20. Jahrhunderts zusammengestellt von Wolfgang Paech, Elmar Remmert, Felix Schmicker und Chr. Harder.

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ng Paech, Elmar Remmert, Felix Schmicker und Chr. Harder